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Neues vom JSPS-Club 01/2017

 

EDITORIAL

Atomkraftwerke Fukushima: Abbau auch mit deutscher Hilfe

vom Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Heinrich Menkhaus

Wie es im Inneren der infolge von Erdbeben und Tsunami am 11. März 2011 havarierten drei Atomkraftwerke des Standorts Fukushima I in Japan tatsächlich aussieht, ist nach wie vor nicht abschließend bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass die Brennstäbe wenigstens teilweise geschmolzen sind und sich das radioaktive Material nicht mehr ausschließlich im Reaktordruckbehälter befindet. Infolge der bei der Kernschmelze auftretenden sehr hohen Temperaturen haben sich die Brennstäbe aufgelöst und sind weiter nach unten in den Stahlsicherheitsbehälter, möglicherweise darüber hinaus, vorgedrungen.

Genauere Erkenntnisse erhofft man sich von ferngesteuerten Robotern, die mit Kameras ausgerüstet, durch eine Öffnung in das Innere des Stahlsicherheitsbehälters hineingefahren werden. Bisher hat es Versuche mit zwei unterschiedlichen Modellen gegeben, die allerdings, weil die Roboter sich verhakt haben und nicht mehr bewegt werden können, beide ihr Ziel nicht erreichen und die erforderlichen Informationen nicht liefern konnten. Aus den aufgenommen Bildern und Filmen lässt sich aber entnehmen, dass das Material aus den geschmolzenen Brennstäben tatsächlich den Reaktordruckbehälter durchbrochen hat.

Angesichts der enormen radioaktiven Strahlung vor Ort und der anhaltenden Unkenntnis über die genaue Lage des geschmolzenen Materials versucht man sich nun nicht nur der Hilfe der US-Amerikaner zu bedienen, die mit einer Kernschmelze im Three-Mile-Island Reaktor vor Jahren Erfahrungen sammeln konnten, sondern möchte auch auf deutsche Kenntnisse zurückgreifen. Zwar ist es in Deutschland noch nicht zu einer Havarie eines Kernkraftwerks gekommen, aber durch den Abbau der drei Anlagen, Kernkraftwerk Niederaichbach, Heißdampfreaktor Großwelzheim und Versuchskraftwerk Kahl, hat man in Deutschland einige Erkenntnisse gewinnen können.

So konnten bei einem Symposium des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) in Japan im Jahre 2015 die deutschen „Technological and Educational Resources for the Decommissioning of Nuclear Facilities“ vorgestellt werden. Die Morgenausgabe der japanischen Tageszeitung Nikkei vom 6. Februar 2017 vermeldet nun, dass ein Konsortium von verschiedenen nationalen und ausländischen Forschungseinrichtungen schon im März dieses Jahres mit Studien zum Abbau der havarierten Atomkraftwerke in Japan beginnen wird. Finanziert wird die Arbeit für die nächsten drei Jahre durch das japanische Ministerium für Erziehung und Wissenschaft. Mit von der Partie ist auf deutscher Seite das Institut für Technologie in Karlsruhe, wie sich die dortige Universität in Anlehnung an einen ähnlichen Wortgebrauch im englischen Sprachraum nennt.

Vor schnellen Ergebnissen, die eine „Entsorgung“ bedeuten könnten, sei indes gewarnt. Der in Rede stehende Zeitungsartikel geht von der Dauer von 30–40 Jahren für den Abbau aus.

 

VERANSTALTUNGSBERICHTE

Neujahrsfeier des Clubs in Wien am 10.03.2017

vom Länderbeauftragten für Österreich Prof. Dr. Eberhard Widmann

Teilnehmer der Shinnenkai im Hörsaal des SMI

Die zweite Shinnenkai des JSPS-Clubs in Wien wurde wie im Jahr zuvor als gemeinsame Veranstaltung mit der „Vereinigung japanischer Mitarbeiter bei den Organisationen der Vereinten Nationen in Wien“ namens UNVJ am 10. März 2017 veranstaltet. In der UNVJ sind Mitarbeiter von 10 internationalen Organisationen (darunter die IAEA, UNHCR, UNIDO sowie die Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty Organization), der Japanischen Botschaft in Österreich und der Permanenten Vertretung Japans bei den Vereinten Nationen in Wien organisiert.

Vortragende Dr. Tsuchiya Kaoru

Die Shinnenkai fand wiederum am Institut des Länderbeauftragten des JSPS-Clubs für Österreich, Prof. Dr. Eberhard Widmann, dem Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im 9. Wiener Bezirk statt. Nach einführenden Worten von Prof. Widmann und dem UNVJ Vorsitzenden Yamada Katsumi (IAEA) wurde der Hauptvortrag von Dr. Tsuchiya Kaoru zu Funktion und Krankheiten der Leber gehalten. Dr. Tsuchiya arbeitet am Musashino Red Cross Hospital in Tōkyō und hält sich für einen zweijährigen Forschungsaufenthalt über das Leberzellkarzinom an der Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Medizinuniversität Wien auf. Dr. Tsuchiya hielt einen allgemeinen Vortrag über die Leber, der bei den meist nicht aus dem medizinischen Bereich kommenden Zuhörern auf großes Interesse stieß.

Zum Ausklang des Abends fand ein geselliges Beisammensein in der „Stiegl-Ambulanz“, einem Bierlokal auf dem Gelände des Alten Allgemeinen Krankenhauses (AKH) statt. Das Alte AKH war seit 1784 das zentrale Krankenhaus Wiens. Das Gelände wurde 1988 der Universität Wien anlässlich deren 600-jährigem Jubiläums geschenkt und beherbergt heute zahlreiche geisteswissenschaftliche Institute sowie einige Gastronomiebetriebe, deren Namen zum Teil noch an das frühere Umfeld erinnern.

 

PROJEKTE VON CLUB-MITGLIEDERN

DAAD-JSPS-Projekt assistiert bei besseren und schnelleren Übersetzungen – Weiterentwicklungen zur computerunterstützten Übersetzung mit Minna no Hon’yaku

von unserem Mitglied Dr. Ulrich Apel

Leser japanischer Texte mit deutscher Muttersprache greifen sehr häufig auf das japanisch-deutsche elektronische Wörterbuch WaDokuJT zurück, das z.B. unter wadoku.eu oder wadoku.de auch online zugänglich ist. Dieses Projekt stellt nach etwa 20 Jahren Arbeit knapp 135.000 japanische Hauptstichwörter bzw. weit über 300.000 Datensätze oder mehr als 1,1 Mio. Paare aus japanischer Schreibung und deutschem Übersetzungs-Äquivalent zur Verfügung. Es hat in Bezug auf den Umfang zu den meisten großen japanisch-fremdsprachigen Wörterbüchern mindestens aufgeschlossen und übertrifft z.B. Kimura Kinjis Großes Japanisch-Deutsches Wörterbuch (1952, Tōkyō: Hakuyūsha) um weit mehr als das Doppelte.

Da die WaDokuJT-Wörterbuchdaten quelloffen zugänglich sind, lassen sie sich auch relativ leicht für andere Projekte nutzbar machen. Ein System, das so auf die Daten zurückgreift, ist beispielsweise das Online-System für computerunterstützte Übersetzung namens Minna no Hon’yaku, das am Bibliotheks- und Informationswissenschaften-Laboratorium an der Graduiertenschule für Bildung der Universität Tōkyō entwickelt wurde und das laufend verbessert wird. Das System kann unter http://en.trans-aid.jp ausprobiert und verwendet werden.

Dass man den Projektnamen Minna no Hon’yaku etwa auf Deutsch mit „Übersetzung für alle“ oder „Übersetzung durch alle“ oder „eine allen gehörende Übersetzung“ wiedergeben kann, ist dabei durchaus beabsichtigt. Das System wird nämlich insbesondere von japanischen Nichtregierungsorganisationen und unter anderem für gemeinschaftliche Übersetzungen benutzt.

Minna no Hon’yaku lässt sich für eine ganze Reihe von Sprachpaaren verwenden – unter anderem eben auch für Japanisch-Deutsch. Ganz praktisch funktioniert das so, dass man einen japanischen elektronischen Text in Minna no Hon’yaku öffnet oder eingibt; der Text wird dann vom System analysiert und für die Übersetzung vorbereitet. Nutzer bekommen den Text in einem Browserfenster mit zwei Feldern angezeigt. Eines enthält den Quelltext, und im anderen entsteht der Übersetzungstext. Klickt man auf ein Wort des Quelltextes öffnet sich ein Popup-Menü mit Übersetzungsvorschlägen z.B. aus dem WaDokuJT-Wörterbuch. Wählt man einen der Vorschläge durch einen weiteren Klick aus, wird dieses Wort im Übersetzungsfeld eingefügt. Das System erspart einem also das Nachschlagen und etwas Tipparbeit. Wenn man annimmt, dass beim Übersetzen etwa ein Drittel der Zeit für Wörterbuchrecherche aufgewendet wird, ist die Zeitersparnis ganz beträchtlich. Die Anlage eines Projekt-Glossars im System erleichtert es, wichtige Begriffe eines Textes oder eines umfangreicheren Projektes immer gleich zu übersetzen. Das System hilft also bei der Übersetzung, nimmt sie einem jedoch nicht aus der Hand. Die Kontrolle über das Übersetzungsergebnis bleibt nach wie vor bei den Übersetzern.

Mit einer Förderung durch das DAAD-JSPS Joint Research Program konnten Forscher aus Tübingen, Tōkyō und Okayama an einer Verbesserung des Übersetzungssystems arbeiten. Und zwar enthält das WaDokuJT-Wörterbuch nicht nur Wörter, sondern auch eine Vielzahl von häufigen Wendungen, Verwendungsbeispielen oder auch Sprichwörtern. Solche Mehrwort-Einträge wurden vom Übersetzungssystem nur in der so gespeicherten Version erkannt. Kleine Texteinschübe oder Umstellungen verhinderten etwa, dass Inhalte gefunden wurden, die eigentlich bereits da sind. Unter dem Titel „Flexibler Abgleich japanischer Kollokationen in einer japanisch-fremdsprachigen Umgebung für maschinenunterstützte Übersetzung“ bereitete die Arbeitsgruppe Lösungen für dieses Problem vor, die mit einer neuen Version des Übersetzungssystems unter dem oben genannten Link allen Nutzern und auch allen Sprachpaaren zur Verfügung stehen.

 

PUBLIKATIONEN VON CLUB-MITGLIEDERN

Tōkyō in den zwanziger Jahren: Experimentierfeld einer anderen Moderne?

von Stephan Köhn, Chantal Weber, Volker Elis (Hrsg.)

Die 1920er-Jahre waren in Japan ein Jahrzehnt voller Veränderungen – und voller Widersprüche. Eine verblüffende Koexistenz traditioneller und moderner Lebensformen prägte dieses goldene Zeitalter, das als Ergebnis eines bis dahin in der Weltgeschichte wohl beispiellosen Modernisierungsprozesses zu sehen ist. Japan war endgültig in der Moderne angekommen, aber in welcher? In Anbetracht der kontrovers geführten Debatten innerhalb und außerhalb Japans über das Wesen der japanischen Moderne stellt sich die Frage, wie internationale Einflüsse seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Land geprägt und eigenständige Entwicklungen ausgelöst haben können. Tōkyō nimmt in dieser Debatte eine besondere Position ein, gilt es doch als Nährboden für die Herausbildung einer japanischen Moderne.

Neben einer theoretischen Einführung beleuchten die elf Beiträge dieses Buches Tōkyō als Zentrum tiefgreifender Modernisierungsbestrebungen, dessen kulturelle und gesellschaftliche Neuerungen in das ganze Land ausstrahlten. Das thematische Spektrum reicht dabei von Kunst und Kultur über Politik und Gesellschaft bis hin zu Religion und Bildung. Tōkyō war und ist bis heute Anziehungspunkt für die unterschiedlichsten Menschen aus allen Teilen Japans, die sich der Modernisierung ihres Landes und der Veränderung ihrer Lebenswelt verschrieben hatten und haben. Mit dieser kursorischen Gesamtschau sollen die augenscheinlichen Widersprüche, die das bisherige Bild der zwanziger Jahre in Japan dominiert haben, aufgelöst und die Pluralität der Zukunftsentwürfe und Lebensweisen der 1920er-Jahre als Ausdruck einer anderen Moderne nachgezeichnet werden.

Inhalt:

  • Stephan Köhn, Volker Elis u. Chantal Weber: Tōkyō in den zwanziger Jahren – Experimentierfeld einer anderen Moderne?
  • Frank Jacob: Der Erste Weltkrieg als ökonomisch-soziale Zäsur der japanischen Moderne
  • Judith Fröhlich: Die Nikolai-Kathedrale, das Große Kantō-Erdbeben von 1923 und das Ende des alten Russlands in Japan
  • Volker Elis: Kaufhäuser im Tōkyō der zwanziger Jahre – Soziale Abgrenzung und Geschlechterunterschiede in einem Diskursraum der modernen Konsumkultur
  • Chantal Weber: Yamakawa Kikue und die Sekirankai: Ausdruck des Dilemmas der sozialistischen Frauen in den beginnenden 1920er Jahren
  • Sepp Linhart: Saikun tenka Bildpostkarten: Ausdruck moderner Frauenemanzipation oder traditioneller Frauenherrschaft zu Beginn der 1920er Jahre in Japan?
  • Stephan Köhn: Subversive Gegenwelten – Die Autorin Yoshiya Nobuko und die Mädchenkultur (shōjo bunka) der 1920er Jahre
  • Iris Haukamp: Filmraum Tōkyō: von Nonsens zur Sozialsatire
  • Annegret Bergmann: Theater und Theaterunternehmer im Asakusa der 1920er Jahre
  • Claudia Deckers: Avantgarde-Kunst im Tōkyō der 1920er Jahre – Spiegel der Gesellschaft oder Spiegel des Selbst?
  • Olga Isaeva: Mavo – Ein explosives Gemisch aus Expressionismus, Futurismus, Dadaismus, Konstruktivismus, Bolschewismus und Anarchismus
  • Till Knaudt u. Hans Martin Krämer: Politische Agitation und Sozialreform im Alltag: Das „Settlement“ der Universität Tōkyō in Shitamachi


(= Kulturwissenschaftliche Japanstudien 9, hrsg. von Stephan Köhn und Martina Schönbein)
Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2017. 274 Seiten, 36 Abb., ISBN: 978-3-447-10774-7, 48 Euro.

 

MINISERIE ZU GESCHICHTE, KULTUR UND GESELLSCHAFT JAPANS

Wasan – Japanische Mathematik der Edo-Zeit

von Vorstandsmitglied Dr. Chantal Weber

In der Edo-Zeit (1603–1868) konnten sich zahlreiche Künste und Geistesströmungen aufgrund der langen Friedensperiode weiterentwickeln und etablieren. Dazu zählen z. B. der Tee-Weg, die Haiku-Dichtung oder auch die japanische Mathematik wasan 和算. Auch wenn Methoden für einfache Rechenoperationen schon seit dem Altertum in Japan bekannt waren, erlebte die Mathematik in der Edo-Zeit eine regelrechte Blüte und konnte um entscheidende Schritte vorangebracht werden. Gleichzeitig wurde Mathematik der allgemeinen Bevölkerung


Rechenhölzchen – sangi 算木

Die japanischen Zeichen eignen sich nicht für Rechenoperationen, daher wurden die sogenannten sangi (Rechenhölzchen) dafür eingesetzt, welche wie vieles andere aus China übernommen wurde. Dies geschah bereits in der Nara-Zeit (710–784) und Heian-Zeit (794–1185). Positive Zahlen wurden in Rot geschrieben und negative Zahlen in Schwarz.

Da es jedoch kompliziert war, immer zwei Farben bereitzustellen, gab es auch die folgende Schreibweise, bei der für negative Zahlen ein Stich durchgezogen wurde. Die Null wurde später in China eingeführt und offensichtlich auch nach Japan übertragen.

So wurde die Zahl 231 wie folgt geschrieben  und -407 als  wiedergegeben.

Da man in Japan vor allem die Schreibweise in einem Raster benutze (häufig wurden Hölzchen in entsprechende Felder für Zehntausend, Tausend, Hundert, Zehn, Eins gelegt), wurde für die Null eine Leerstelle gelassen. Die vier Grundrechenarten ließen sich problemlos mit sangi meistern. Außerdem gab es Multiplikationstabellen, die zum Einsatz kamen.

Aus China wurden gleichzeitig auch Rechenbücher und die Kalenderrechnung übernommen. Bis zur Edo-Zeit erfuhr die Mathematik in Japan keine Weiterentwicklung und manche Autoren bezweifeln, dass man die chinesischen Mathematikbücher in ihrem ganzen Umfang verstanden hatte. Ein entscheidendes Element für die Entstehung der japanischen Mathematik war neben den historischen Gegebenheiten der Edo-Zeit die Einführung des Abakus aus China.


Der japanische Abakus: soroban 算盤

Der Abakus wurde im 16. Jahrhundert nach Japan eingeführt. Wahrscheinlich benutzen Kaufleute, die Handel mit China betrieben, das Rechengerät schon früher, aber Verbreitung fand es erst im 17. Jahrhundert. Bis heute wird der soroban in Japan verwendet; es gibt sogar Wettbewerbe und eine offizielle Soroban-Gesellschaft. Eine einheitliche Form erhielt der soroban im Jahr 1920, davor benutzte man verschiedene Varianten.

Grundsätzlich hat der soroban zwei Teile, die durch einen Steg getrennt sind. Die Kugeln oberhalb des Stegs haben den Wert 5, während die 4 Kugeln unterhalb mit dem Wert 1 belegt sind.

Mit einer Festlegung der Einheiten Einer, Zehner, Hunderter, Tausender etc. können mittels des soroban alle Grundrechenarten und auch das Wurzelziehen ausgeführt werden.

Das Jinkōki von Yoshida Mitsuyoshi

Große Verbreitung fand der soroban durch das Buch Jinkōki 塵劫記 von Yoshida Mitsuyoshi (1598–1673), welches 1617 erstmals erschien. Yoshida kam aus einer reichen Kaufmannsfamilie in Kyōto und war wohl schon seit frühester Jugend mit dem soroban vertraut. Im Jinkōki wurde in japanischer Sprache, also allgemein verständlich, und anhand zahlreicher Abbildungen das Rechnen mit dem soroban erklärt. Zusätzlich wurden anwendungsorientierte Problemstellungen besprochen wie das Berechnen einer Landfläche und Rechenspiele eingeführt u.a. das Josephus Problem. Das Werk richtete sich mit seinen Beispielen vor allem an Händler und Bauern, aber auch für andere Leser wie Handwerker und Samurai wurden verschiedene Beispiele angeführt. Damit konnte sich das Jinkōki einer breiten Leserschaft erfreuen und wurde noch viele Male in überarbeiteten und angepassten Fassungen neu aufgelegt. Das Jinkōki markiert den Beginn einer japanischen Arithmetik, auch wenn sich Yoshida chinesische Mathematikbücher zum Vorbild nahm.

Die Jahre der Veröffentlichung des Jinkōki waren politisch von einer Konsolidierung des Edo-Shōgunats geprägt. Die Regierung führt Landvermessungen und die Erschließung von neuen Landwirtschaftsflächen durch. Die Samurai, die mit diesen zivilen Aufgaben betraut waren, hatten ein professionelles Interesse an mathematischen Problemstellungen, wie sie im Jinkōki aufgezeigt werden. Einige von ihnen veröffentlichten in der Folge ebenfalls Mathematikbücher.

Seki Takakazu und Takebe Katahiro

Neue Impulse erhielten die japanischen Mathematiker wieder aus China. Dort veröffentlichte bereits im 13. Jahrhundert Zhu Shijie (1249–1314) sein Werk Suanxue qimeng 算学啓蒙 (jap. Sangaku keimō), worin er die mathematische Methode des tian yuan shu 天元術 (jap. tengenjutsu) darlegte. Mittels des tengenjutsu konnten algebraische Gleichungen aufgestellt und mit Variablen gerechnet werden. Im 17. Jahrhundert kam das Werk nach Japan und wurde von verschiedenen Mathematikern aufgegriffen, die das Werk studierten und vergleichsweise schwierige Problemstellungen aufstellten, die sich mit dieser Methode lösen lassen sollten. Seki Takakazu (?–1708) nahm dabei eine herausragende Rolle ein, denn er beschäftigte sich nicht nur mit dem chinesischen Original, sondern löste auch die Problemstellungen seiner Vorgänger. Er veröffentlichte daraufhin ein Werk, das Hatsubi sanpō 発微算法; dies sollte seine einzige Publikation bleiben, aber zahlreiche Abhandlungen und Texte wurden später von seinen Schülern publik gemacht, so z. B. das Katsuyō sanpō 括要算法. Seki war ein Zeitgenosse von Isaac Newton und Gottfried Leibnitz.

Zu Sekis größten Errungenschaften gehörten die Verbesserung der tengenjutsu und die Entdeckung der Determinanten. Er berechnete Kreisflächen und die Kreiszahl π, wobei er unendliche Reihen einsetze.

Sein Ruhm, der ihn neben den überragenden Haiku-Dichter Matsuo Bashō (1644–1694) und den als Heiligen bezeichneten Tee-Meister Sen no Rikyû (1522–1591) stellte, basiert vor allem auf der Fortführung seiner Arbeit durch seine Schüler und deren Gründung einer eigenständigen Strömung innerhalb der Mathematik, der Seki-Schule.

Ein Schüler Sekis war Takebe Katahiro (1664–1739), der die von seinem Lehrer begonnene Kreisberechnung sowie das Kreisprinzip enri 円理 als bestimmtes Integral fortführte. Er berechnete π bis auf die 43. Stelle. Auch Takebe bezog sich in seinen Schriften immer wieder auf das chinesische Sangaku keimō und entwickelt die mathematischen Methoden weiter. Er erlangte in seiner Position am Hof des Shōguns großes Ansehen, besonders nachdem er 1719 eine neue Karte Japans veröffentlichte.

Wasan erfuhr durch die Etablierung von privaten Schulen im ganzen Land große Verbreitung, aber auch die Benutzung von ema-Votivtafeln, auf denen mathematische Probleme und Lösungen in Shintō-Schreinen präsentiert wurden, trugen dazu bei, dass wasan zum allgemeinen Wissensgut wurde. Gleichzeitig erfreuten sich Bücher mit mathematischem Inhalt großer Beliebtheit in der Edo-Zeit und das Lösen von mathematischen Problemen wurde für viele zu einem Hobby.

Mit der Einführung der westlichen Mathematik in der Meiji-Zeit (1868–1912) und vor allem der Einrichtung eines Mathematik-Unterrichts an Schulen nach westlichem Vorbild verschwand das wasan langsam aus der japanischen Gesellschaft.

Literaturhinweise:

  • David Eugene Smith, Yoshio Mikami: A History of Japanese Mathematics. The Open Court Publishing Company, Chicago IL 1914, vollständige Online-Kopie bei archive.org unter https://archive.org/details/historyofjapanes00smitiala
  • Horiuchi, Annick: Japanese Mathematics in the Edo Period (1600–1868). A study of the works of Seki Takakazu (?-1708) and Takebe Takahiro (1664–1739). Basel: Birkhäuser, 2010.
  • National Diet Library: Japanese Mathematics in the Edo Period. http://www.ndl.go.jp/math/e/s1/1.html (Stand: 7.3.2017)

 

Repräsentation des Clubs auf externen Veranstaltungen

  • 10.02.2017: DJW „Karriere Forum Japan“ an der Universität Düsseldorf, Vorstellung des JSPS-Clubs und Moderation eines Workshops zu Fördermöglichkeiten für wissenschaftliche Aufenthalte in Japan durch Sabine Ganter-Richter

 

Termine

  • 19./20.05.2017: Japanisch-Deutsches  Symposium „Emerging challenges in women health care in a changing world", Ulm
  • 10./11.11.2017: Mitglieder laden Mitglieder ein, Stuttgart, auf Einladung von Dr. Kay Nottmeyer und Dr. Christian Becker-Asano

Wenn Sie Beiträge zu Veranstaltungen, Publikationen etc. im Newsletter veröffentlichen möchten, wenden Sie sich bitte an Dr. Chantal Weber und Dr. Meike Albers-Meindl.

 

Impressum

Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V.
Redaktion: Dr. Chantal Weber
Mitarbeit: Dr. Meike Albers-Meindl
Verantwortlich:
Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V.
c/o JSPS Bonn Office, Ahrstr. 58, 53175 Bonn
Tel.: 0228/375050, Fax: 0228/957777
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Die in den Beiträgen geäußerten Ansichten geben nicht
unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.

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