Neues vom JSPS-Club 03/2005
Neues vom JSPS-Club 03/2005 (340 KB)
MITGLIEDER BERICHTEN AUS JAPAN
Drei unserer Club-Mitglieder haben dieses Jahr eine Stelle in Japan angetreten. In den folgenden Beiträgen schildern sie kurz ihre Tätigkeitsbereiche und ersten Eindrücke.
Ralf Bebenroth, Oktober 2003 bis April 2005 als JSPS-Postdoc an der Osaka University of Economics and Law. Seit Mai 2005 Associate Visiting Professor im Bereich Wirtschaft und Europa in der (ehemals) staatlichen Universität Kôbe.
In der Zeit meiner JSPS-Förderung gelang es mir, eine Vielzahl an Veröffentlichungen zu publizieren (sechs darunter auf Japanisch) sowie auf den drei größten japanischen Konferenzen im Bereich Wirtschaft jeweils einen unterschiedlichen Vortrag zu präsentieren, auch auf Japanisch.
Dadurch bekam ich hervorragende Kontakte zu japanischen Wissenschaftlern im ganzen Land, durch die ich jetzt auch an die Kôbe Universität gelangte – und deswegen das Humboldt-JSPS Programm frühzeitig beenden musste. Die Kôbe Universität zählt im Bereich Wirtschaft zu den führenden Institutionen Japans, ist internationalisiert durch ausländische Studenten und viele Gastdozenten.
Glücklicherweise wurde dieses Jahr im April in der Kôbe Universität das EU-Institut Kansai gegründet. Das Institut, ein Konsortium bestehend aus der Universität Ôsaka, der Kansai Gakuin Universität und der Kôbe Universität, setzt sich zum Ziel, die Beziehungen zwischen der EU und der Kansai Region zu intensivieren. Im Bereich der Wirtschaft und Industrie sind vielerlei Projekte geplant, allen voran sollen japanische Studenten für Europa sensibilisiert werden. Aufgrund der Entstehung dieses Instituts und der Notwendigkeit von Vorlesungen über europäische Wirtschaft wurde ein Associate Professor gesucht – und in meiner Person gefunden!
Kôbe ist eine der schönsten Hafenstädte Japans mit dem wundervollen Grün der Berge im Rücken. Die Universität ist weit oben im Rokko-Berg angesiedelt – und meine Wohnung fünf Minuten zu Fuß von der Universität entfernt. Alles also soweit hervorragend.
Diese Karriere hätte ich ohne Hilfe und Unterstützung unzähliger Personen nicht gemacht. Besonders danken möchte ich den Mitarbeitern des JSPS-Büros in Bonn, durch deren ausführliche Informationen ich erst auf die Idee einer Bewerbung bei JSPS kam.
Ralf Bebenroth
Thomas Berberich, mit JSPS-Förderung drei Kurzzeit-Aufenthalte in Japan: 1998, 1999 und 2000. Seit April 2005 als Wissenschaftler am Iwate Biotechnology Research Center (IBRC) in Kitakami auf dem Gebiet der pflanzlichen Molekularbiologie tätig.
Im März 1993 betrat ich zum ersten Mal japanischen Boden, ausgestattet mit einem Science and Technology Fellowship (STF) der EU und voll guter Vorsätze, die nächsten zwei Jahre einerseits der Wissenschaft zu widmen, andererseits zum gründlichen Kennenlernen des Landes zu nutzen. Nach drei Monaten Sprachkurs in Tokyo arbeitete ich dann bis Juli 1995 am Biotechnology Institute in Akita, im Norden Japans, an Fragen zu zellulären Signalwegen beim Kältestress an Reis und Mais. Anschließend konnte ich eine Stelle an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main antreten, wo ich zuvor auch schon studiert und promoviert hatte. Seit der Rückkehr aus Japan forschte ich in enger Kooperation mit meinem ehemaligen „host“, Tomonobu Kusano, der in der Zwischenzeit zunächst an das Nara Institute of Science and Technology (NAIST) wechselte und danach einem Ruf an die Tôhoku Universität nach Sendai folgte. Alljährliche Reisen nach Japan, finanziert durch JSPS, DAAD und DFG, ermöglichten uns eine intensive und fruchtbare Zusammenarbeit. Während eines Aufenthaltes an der Tôhoku Universität betreute ich die Arbeit eines vielversprechenden Doktoranden. Dieser wechselte dann als Postdoktorand an das Iwate Biotechnology Research Center in die Arbeitsgruppe von Ryohei Terauchi, der seinerseits Jahre zuvor als Postdoktorand an der Goethe-Universität in Frankfurt war. So kam es, dass man an mich dachte, als am Institut in Iwate eine Wissenschaftlerstelle zu besetzen war, womit sich der Kreis schließt, und ich wieder zum Forschen nach Japan ging. Perfekt wird die deutsch-japanische Verflechtung durch die Besetzung einer weiteren Stelle in Iwate mit Hiromasa Saitô der gerade zwei Jahre Postdoktorandenzeit am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln beendet hat. Und zu allem Glück liegt Kitakami nur 1 1/2 Autobzw. Shinkansenstunden von Sendai entfernt, was auch die Kooperation mit Prof. Kusano erleichtert.
Projekte
Die Aufgabe des 1993 eröffneten Instituts ist, von der Grundlagenforschung ausgehend über die angewandte Biotechnologie bis hin zur Praxis der Agrarproduzenten einen kontinuierlichen „flow“ zu bilden.
Grundlagenforschung und Anwendung liegen hier also sehr nah beisammen, was sich in der Zusammenarbeit zwischen Molekularbiologen, Genetikern und Agrarwissenschaftlern ausdrückt. Insgesamt sind in drei Arbeitsgruppen ungefähr vierzig Angestellte, darunter fünf in der Administration, am IBRC beschäftigt. Hinzu kommen Gastwissenschaftler, Stipendiaten und Doktoranden aus verschiedenen Universitäten.
In der „Reis“-Arbeitsgruppe beschäftigen wir uns hauptsächlich mit der Molekularbiologie der pflanzlichen Pathogenabwehr, speziell mit der Wechselwirkung zwischen Reis und seinem Pathogen Magnaporthe grisea, dem Pilz, der die „Rice-blast“-Krankheit auslöst und jährlich für erhebliche Ernteausfälle sorgt.
Ein weiterer Aspekt ist die Anpassung modernster molekularbiologischer Methoden an pflanzliche Systeme und deren Weiterentwicklung.
In der Kooperation mit Prof. Kusano arbeite ich weiterhin auf dem Gebiet der zellulären Signalverarbeitung bei der Blattseneszenz und beim Kältestress.
Das Leben außerhalb des Instituts
Kenner des Landes bezeichnen den Norden Japans gerne als das „wahre Japan“, wovon ich mich während meines Aufenthaltes in Akita auch überzeugen ließ.
Hier in Iwate vertiefte sich dieser Eindruck. Uns als kleiner Familie fiel die Entscheidung, nach Japan zu gehen, dann auch sehr leicht. Einen höheren Freizeitwert als hier können wir uns kaum vorstellen, denn wir sind umgeben von zwei sehr unterschiedlichen Gebirgszügen, die zum Wandern und in den garantiert schneesicheren Wintern zum Skifahren einladen. Das weite Tal des Kitakami-Flusses mit seinen Nebenflüssen sorgt für reichlich Grün, und die Flüsse selbst gelten als Kajakfahrerparadies.
Es erübrigt sich beinahe zu erwähnen, dass in unmittelbarer Nähe einige der schönsten Onsen (heiße Quellen) Japans zu finden sind.
Die Stadt Kitakami ist mit knapp 100.000 Einwohnern recht klein und übersichtlich, liegt aber direkt am Tôhoku-Expressway und an der Shinkansen-Linie. Größere Städte wie Morioka oder Sendai sind sowohl mit dem Auto als auch mit dem Zug schnell zu erreichen. Fünfzehn Autominuten entfernt liegt der Flughafen Hanamaki, von dem aus Osaka und Nagoya angeflogen werden. Die Infrastruktur lässt nichts zu wünschen übrig, und das Klima ist wesentlich angenehmer als im Süden des Landes, wo die Sommer sehr heiß und schwül sind.
Die Kleinheit der Stadt hat auch den Vorteil, dass das Leben hier – verglichen mit den japanischen Metropolen – recht preiswert ist. Ein nettes Häuschen zu mieten war kein Problem. Es gelang uns dann relativ schnell, die ersten sozialen Kontakte aufzubauen: zunächst vorwiegend in der Kitakami International Assembly Hall, einer Art internationalem Freundeskreis, in dem ein Großteil der wenigen hier lebenden Ausländer und viele an der Welt interessierte Japaner organisiert sind. Inzwischen aber auch zunehmend in der Nachbarschaft und über „Interessengruppen“ wie Babyschwimmen, Orchester, Sport etc. Am besten funktioniert die Kommunikation jedoch durch unseren kleinen Sohn, der uns hier buchstäblich alle Herzen und Türen öffnet. Die Japaner sind ein extrem kinderliebes Volk (was man auch in allen Läden, Restaurants, Ämtern und sonstigen Einrichtungen des täglichen Lebens merkt: Kinder sind überall willkommen, nicht nur geduldet).
Aus diesem ersten Bericht ist unschwer zu erkennen, dass wir uns in Japan sehr wohl fühlen.
Thomas Berberich
Wolfgang Ertl, als JSPS-Postdoc von Mai 2001 bis April 2003 an der Keio University. Seit April 2005 als „Associate Professor of moral philosophy” an der Abteilung für Ethik der „faculty of letters” der Keiô Universität in Tokyo tätig.
Ob es vor dem Import der europäischen Tradition Philosophie in Japan gab, ist umstritten. Dass es sie jetzt in Japan gibt, vor allem in Gestalt einer akademischen Disziplin, ist dagegen eine empirisch überprüfbare Tatsache. Dabei weist die organisatorische Struktur dieses Faches eine Reihe von Besonderheiten auf. In Anlehnung an die „klassische” Aufteilung an der Tôdai, die sich ihrerseits an die so verstandene Auffächerung der Philosophie durch die drei Hauptschriften Kants anlehnt, gibt es an den großen Universitäten neben einer philosophischen Abteilung gesonderte Einrichtungen für Ethik und für Ästhetik, an denen Philosophen lehren.
Auf der Ebene der „undergraduates” fungiert Ethik an der Keiô als selbständiger Studiengang, ansonsten, d.h. auf der Ebene der Magistranden und Doktoranden, wird Ethik im Rahmen der „graduate school of philosophy” unterrichtet. Meine Zuständigkeit erstreckt sich auf das Gebiet der Moralphilosophie im traditionellen Sinn des Wortes, umfasst also Ethik, Rechtsphilosophie, Politische Philosophie sowie Geschichts- und Religionsphilosophie. In historischer Hinsicht liegen die Schwerpunkte meiner Lehre auf Thomas von Aquin und Immanuel Kant, systematisch sind sie im Bereich der Moraltheorie (die sich zum Beispiel der Frage widmet, was letztlich eine Handlung zu einer guten oder schlechten macht) und der Metaethik angesiedelt (die unter anderem untersucht, was moralische Eigenschaften eigentlich sind und wie sie in unser wissenschaftliches Weltbild passen oder ob der realistische Duktus der Sprache der Moral nicht vielmehr irreführend ist). Einen besonders breiten Raum nimmt zudem das Problem der Willensfreiheit ein.
Die Unterrichtssprache ist überwiegend Englisch, das sich in den letzten Jahren ohnehin als lingua franca der Philosophie etabliert hat, während das Deutsche auch hier immer mehr ins Hintertreffen gerät. Von daher ist es für mich ebenso erfreulich wie überraschend, dass von seiten der Graduierten, beispielsweise der hartgesottenen Kantianer, dennoch eine nicht unbeträchtliche Nachfrage nach deutschsprachigen Lehrveranstaltungen zu verzeichnen ist. Ich biete deshalb gerne auch Seminare auf deutsch für Fortgeschrittene, aber auch entsprechende Übungen für weniger Versierte an.
Wolfgang Ertl