Neues vom JSPS-Club 01/2020

 

EDITORIAL

Unentgeltliche höhere Bildung in Japan

von Prof. Dr. Heinrich Menkhaus, Vorsitzender und Landesbeauftragter Japan

Das Jahr 2019 kennzeichnet den bisherigen Tiefststand der Zahl von Neugeborenen in Japan. Sie blieb unter 90.000. Seit Jahren wird über die Gründe für den Rückgang der Geburtenzahlen diskutiert. Außer der Überlegung, dass es eine Gemengelage von Ursachen geben dürfte, besteht wenig Übereinstimmung. Die hohen Kosten für die Ausbildung der Kinder werden aber oft als ein Grund genannt. Dem soll mit der Unentgeltlichkeit der Ausbildung begegnet werden.

Schon vor Jahren hat man begonnen, die Kosten für Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulausbildung in der Grund-, Mittel- und Oberstufe für einkommensschwache Haushalte zu reduzieren und die dadurch entstehenden Fehlbeträge der öffentlich-rechtlichen Kindergarten- und Schulträger durch Steuergelder auszugleichen. Bei Ausbildungsstätten in privatrechtlicher Trägerschaft sind die Abzugsbeträge geringer. Ab dem 1. April 2020 ist es nun auch in der höheren Bildung, d.h. der Universität (vier Jahre), der Kurzzeit-Universität (zwei Jahre), der Fachoberschule und der Fachschule soweit.

Grundsätzlich soll neben einer Reduzierung der Studiengebühren auch ein Beitrag zum Lebensunterhalt geleistet werden. Die Reduktions- und Zuschussbeträge richten sich nach der Einwohnersteuerbelastung und sind in drei Stufen gegliedert. Die vollen Beträge erhalten nur solche Haushalte, die nicht zur Einwohnersteuer herangezogen werden. Zwei Drittel der in Rede stehenden Beträge können von Haushalten geltend gemacht werden, die ein der Einwohnersteuer zugrundeliegendes Einkommen von 2,7 bis 3 Mio. Yen im Jahr haben. Die verbleibende Stufe kann nur noch ein Drittel der Beträge geltend machen. Es handelt sich um Haushalte, die über ein Einkommen von 3 bis 3,8 Mio. Yen im Jahr verfügen. Die genauen Zahlen hängen selbstverständlich auch noch von der Zahl der Kinder ab.

Der durch diese Regelung erforderliche Verwaltungsaufwand ist enorm. Auch lässt sich durch diese Maßnahme jedenfalls eine Zunahme der Geburtenrate nicht sofort erreichen. Vielmehr haben die stark geburtsreduzierten Jahrgänge schon die Träger der höheren Ausbildung erreicht. Deren Kapazitäten können nicht mehr ausgeschöpft werden. Das gilt besonders für die ländlichen Gebiete, weil die Attraktivität der Ballungszentren ungebremst anhält. Die Aufnahmekapazitäten für Bildungseinrichtungen in Ballungsgebieten auf der gegenwärtigen Höhe einzufrieren – wie geschehen –, erscheint nur auf den ersten Blick als Lösung. Tatsächlich fördert diese Maßnahme die Einrichtungen in den urbanen Gebieten, weil diese vor dem Hintergrund der abnehmenden Bewerberzahlen ihre Kapazitäten gerade noch besetzen können, während Einrichtungen in ruralen Regionen leer ausgehen. Trotz der mit 55 % hohen Prozentzahl von Kindern eines Jahrgangs, die eine höhere Ausbildung anstreben, zeichnen sich hier Probleme ab, die nur schwer zu lösen sind und den Bestand des gesamten Dienstleistungssektors Ausbildung und Erziehung gefährden.

 

VERANSTALTUNGSBERICHTE

Bericht vom 8. Club-Mitgliedertreffen und European Research Night in Tokyo/Japan – Wie weit muss Forschung gesellschaftlich relevant sein?

von Clubmitglied Wilfried Wunderlich

Foto vom 8. Club-Treffen: Gastgeber Mitglied Sacré 1. Reihe 6. von rechts

Zum 8. Mitgliedertreffen des JSPS-Clubs in Japan hatte Mitglied Dr. Stefan Scaré als CEO der Firma Carl Zeiss in Tokyo / Hanzomon eingeladen.

Die einleitenden Grußworte sprachen Prof. Dr. Heinrich Menkhaus, Dr. Lothar Mennicken, der neue Wissenschaftsattaché der Deutschen Botschaft Tokyo, und Berater Kato Hisashi als Vertreter von JSPS, bevor die sechs Vorträge unserer Mitglieder begannen. Anwesend waren etwa 30 Zuhörer, davon etwa die Hälfte Mitglieder JSPS-Clubs.

Der Post-Doc Forscher, Mitglied Dr. Jonas Fischer, zur Zeit an der Tokyo Universität tätig, berichtete über seine Forschung an kombinierten ferroelektrischen und magnetischen Nano-Materialen, die in ferner Zukunft zu kleineren und/oder energiesparenden Datenspeichern führen könnten und wegen der starken Nachfrage nach Informationstechnologie auch dringend nötig sind.

Mitglied Prof. Dr. Thomas Bock, TU München, sprach über seine Entwicklungen von Konstruktions-Robotern, die in Singapur und Hongkong schon eingesetzt werden und viel schneller und präziser arbeiten können als angelernte Arbeiter. Mit etwa 120 Folien zeigte er innerhalb von 30 Minuten engagiert, wie schnell die Technologie in dem Gebiet voranschreitet.

Anschließend berichtete Mitglied Dr. Martin Schulz, Fujitsu, sehr eloquent über die Aktivitäten und Zukunftsvisionen der Firma Fujitsu in Bezug auf Digitalisierung und Verwendung gesellschaftlich relevanter Daten. Während in einem Durchschnittshaushalt die Ausgaben für Konsum und Wohnen immer mehr zurückgehen, steigen die Kosten für Transport und besonders Gesundheit immer mehr an. Der gezielte Einsatz künstlicher Intelligenz sowie von Maschinen-Lern-Programmen könnten die Effizienz von Dienstleistungen deutlich verbessern und neue Aufgabenbereiche für die medizinische Früherkennung schaffen.

Nach der Kaffeepause gab Mitglied Prof Dr. Hans-Georg Mattutis, Universität für Electro-Communications Tokyo, einen geschichtlichen Überblick darüber, wie sich die Forschung auf dem Gebiet der Mechanik und Optik im frühen und späten Mittelalter trotz religiöser Dogmen einerseits und bürgerlicher Revolten andererseits weiterentwickelte.

Danach berichtete die Post-Doktorandin Dr. Saskia Schimmel über ihre Forschung im Labor von Professor Hiroshi Amano an der Nagoya Universität, der als einer der Träger des Physik-Nobelpreises von 2014 für seine Entwicklung der weißen Leuchtdiode ausgezeichnet wurde. Nachdem die experimentellen Hürden des Materials GaN überwunden waren, ergeben sich für solche Halbleiter mit großer Bandlücke wahrscheinlich neue Anwendungen in der Leistungs-Elektronik.

Zum Abschluss berichtete Mitglied Dr. Anton Myalistin über die Aktivitäten der Service-Firma Nissan ACE, die anders als die Mutterfirma Nissan Motors anspruchsvolle Mikrostruktur-Analytik-Dienstleistungen nicht nur für Kunden aus der Automobilindustrie anbietet. Seine spektroskopischen Messungen zeigten, dass Wasser in gasförmiger, flüssiger oder fester Form jeweils ganz andere Bindungs-Energie-Spektren aufzeigen kann, und dass an Grenzflächen ganz neue Effekte auftreten. In einem gesonderten Vortrag stellte auch Gastgeber Dr. Stefan Sacré die Geschichte und Aktivitäten der Firma Zeiss vor.

Noch während des anschließenden Empfangs führten uns Zeiss-Mitarbeiter durch die Räume mit den neusten SEM-, FIB-, und optischen Analysegeräten.

Im Anschluss fand gemeinsam mit unserer Partner-Organisation EURAXESS die Veranstaltung „European Research Night“ statt, die unter dem Thema Wissenschaftskommunikation stand. Frau Naho Fukuda, JSPS, berichtete über die JSPS-Initiative, JSPS-Stipendiaten an Schulen sprechen zu lassen, Frau Kumiko Okawa, JST, sprach über das „Agora“-Event zur gesellschaftlichen Einbindung von Forschung, nachdem der Leiter des EURAXESS-Büros in Tokyo, Herr Matthieu Py, die Anwesenden, zu denen etwa 30 Europäer und Japaner hinzugekommen waren, begrüßt hatte. Auf die Frage, ob Grundlagenforscher wirklich mehr Einmischung der Öffentlichkeit in ihr Gebiet wollen, machte JSPS-Club-Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Staguhn den Vorschlag, zuerst einmalWissenschaftskommunikatoren zwischenzuschalten. In der Tat versuchte Dr. Toni Maier von der Waseda Universität im anschließenden Vortrag gar nicht erst, sein Fachgebiet Theoretische Chemie zu erklären, das sei eine schwer verständliche Kombination aus viel Computersimulation, mit ein wenig Quantenphysik und Molekül-Dynamik. Die letzte Vortragende Dr. Anna-Lisa Varri von der Universität Tokyo, gab offen zu, dass ihr Teilgebiet der Astro-Physik ebenfalls mit dem täglichen Leben gar nichts zu tun hätte. Sie freue sich aber sehr, dass sie mit Fördermitteln forschen darf, und hofft, Studenten damit zu inspirieren.

 

JANET-Treffen 2019

von Prof. Dr. Heinrich Menkhaus

JSPS-Treffen anlässlich des JANET-Treffens in London:
Leiter und Mitarbeiter der JSPS-Büros in Bonn, London und Strassbourg sowie ein Mitglied des Vorstandes des engli-schen JSPS Clubs

Das „Japan Academic Network in Europe” (JANET) ist vor einigen Jahren mit dem Ziel gegründet worden, den akademischen Austausch japanischer Universitäten und Forschungseinrichtungen mit entsprechenden Organisationen im geographischen Europa zu verbessern. Mitglieder sind japanische Universitäten und Forschungseinrichtungen, die – zumeist bei ihren Partnern in Europa – Büros unterhalten. Einzelheiten enthält die HP, die unter https://www.janet-info.jp/about/ einzusehen ist.

Einige dieser japanischen Universitäten und Forschungseinrichtungen sind institutionelle Mitglieder des Clubs, weil sie davon ausgehen, dass sie über den Club ihre Ehemaligen wiederfinden, der Club bei der Rekrutierung von Personal oder von Sprechern bei bi- oder multilateralen Symposien behilflich sein kann, oder einfach nur Auskunft geben kann über die akademische Infrastruktur im deutschsprachigen Areal Europas. Zu den institutionellen Mitgliedern zählt z.B. die Universität Nagoya, die in Freiburg ein Büro unterhält, die Universität Osaka, die in Groningen vertreten ist, die Universität Kyoto, die mit der Universität Heidelberg verknüpft ist, die Universität Hokkaido, die in Helsinki eine Geschäftsstelle unterhält, die Universität Tsukuba, deren Büro in Bonn sitzt, die Universität Waseda, die in Brüssel vertreten ist, und auch das National Institute for Natural Sciences (NINS), ebenfalls mit einer Niederlassung in Bonn.

Leider sind noch nicht alle japanischen Institutionen, die Mitglied von JANET sind, auch institutionelle Mitglieder im Club. Es ist deshalb wichtig, dass der Club seine Aktivitäten bei den Treffen der JANET-Mitglieder in Europa vorstellen kann. Dank der Unterstützung durch das JSPS-Büro Bonn, das selbst die Mitgliedschaft von JSPS vertritt, hatte der Club bisher immer Zugang zu den sogenannten JANET-Foren, die auf Jahresbasis nacheinander in Berlin, Freiburg, Lyon und jetzt in London stattfanden. Die Organisation des Londoner Treffens lag in den Händen der Universität Osaka. Deren Büroleiter in Groningen haben wir es zu verdanken, dass wir in der Mitgliederversammlung erstmals den Club und seine Aktivitäten vorstellen konnten, während bisher lediglich die PP-Präsentation des Clubs den anderen Mitgliedern von JANET vor dem Zusammentreffen zur Verfügung gestellt werden konnte.

Der Club selbst vertieft die bei diesen Treffen zustande gekommenen Verbindungen dadurch, dass er die jährlich in Japan stattfindenden Club-Treffen bei den institutionellen Mitgliedern ausrichtet. Das war im Jahre 2018 der Fall, als wir an der Universität Kyoto aufgenommen wurden und soll im Jahre 2021 mit einem Zusammentreffen an der Universität Nagoya fortgesetzt werden. Da für den Club insbesondere die japanischen Mitglieder von JANET von Interesse sind, die im deutschsprachigen Bereich ein Büro unterhalten, versucht der Club in Japan engen Kontakt mit diesen Einrichtungen zu halten. So hat der Vorsitzende im Januar die Nagoya Tech genannte Universität besucht, die in Erlangen vertreten ist.

Auch in diesem Jahr wird wieder ein JANET Meeting stattfinden. Es wird von der Universität Chiba organisiert, die in Berlin mit der Charité zusammenarbeitet, sodass das Treffen abermals in Berlin stattfindet.

 

14. Symposium „Mitglieder laden Mitglieder ein“

von Vorstandsmitglied Dr. Matthias Hofmann

Am 1. und 2. November 2019 lud unser Mitglied Prof. Dr. Rüdiger Reischuk die Clubmitglieder zum 14. „Mitglieder laden Mitglieder ein“-Symposium an seine Alma Mater, die Universität zu Lübeck, ein.

Zur Einführung in den spannenden Nachmittag begrüßte Prof. Reischuk die Clubmitglieder, welche trotz des regnerisch kühlen Wetters den Weg nach Lübeck angetreten hatten, mit einem kurzen Rückblick über die noch junge Geschichte der Universität zu Lübeck. Weitere Grußworte wurden durch den Dekan der MINT Sektionen der Universität zu Lübeck, Hr. Prof. Dr. Norbert Tautz, sowie den Clubvorsitzenden Prof. Dr. Heinrich Menkhaus übermittelt.

Dann ging es auch schon in medias res und die Zuhörer wurden im ersten Vortrag von Prof. Dr. Thomas Eisenbarth (Direktor des Instituts für IT-Sicherheit) in die Risiken der Beinflussbarkeit von industriellen Kontrollsystemen eingeführt. So sind wir es als private Nutzer gewohnt, auf modernen Rechnern regelmäßig mit Updates vor den virtuellen Gefahren der IT-Welt geschützt zu werden, aber in industriellen Systemen bzw. Geräten ist zum Teil seit vielen Jahren Software installiert, fuü die es gar keine Updates mehr gibt und welche sich leicht mit Schadsoftware beeinflussen lässt. Die Möglichkeit, mit recht geringem Aufwand einen immensen wirtschaftlichen Schaden zu erzielen, ist in den letzten Jahren durch die zunehmende Vernetzung von industriellen Produktionssystemen stetig gestiegen. Vor diesem Hintergrund ist es unabdingbar, diese „offenen“ Zugangstüren zu erkennen und zu schließen. Prof. Eisenbarth führt im Laufe seines Vortrages die Teilnehmer durch eine Reihe von heute möglichen Schutzmöglichkeiten, um auch ältere industrielle Kontrollsysteme vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Abschließend führte uns Prof. Eisenbarth in einem Exkurs noch in die Welt der Bitcoins und erklärte das System des Bitcoin-„Schürfens“ und Bezahlens mit Bitcoins.

In einem anderen Umfeld bewegte sich der folgende Vortrag von Prof. Dr. Floris Ernst vom Institut für Robotik und Kognitive Systeme der Universität zu Lübeck. In seinem spannenden Vortrag führte er das Publikum in die Nutzung von Ultra-schall in der Strahlentherapie ein. Die Verwendung der schon lange bekannten Ultraschalltechnik zur Unterstützung der modernen Strahlentherapie betitelte er als Renaissance durch Innovation. Ein Problem der modernen Strahlentherapie ist das immer wieder exakte Auffinden des Zielgewebes, das möglichst punktgenau durch die Strahlentherapie behandelt werden soll. Die Platzierung des Patienten kann gut geplant sein, aber von Behandlung zu Behandlung wird sie sich minimal unterscheiden. Hier kann die bewährte Ultraschalltechnik unterstützen und das Ziel aufgrund räumlicher „Markierungen“ erneut genau identifizieren.

Im nachfolgenden Vortrag beleuchtete Prof. Dr. Tautz, Direktor des Instituts für Virologie und Zellbiologie, die Entwicklung der Hepatitis C-Behandlung über den Zeitraum der letzten 25 Jahre. Das Hepatitis C Virus wurde erstmalig 1989 mittels gentechnischer Methoden identifiziert. Weltweit sind über 70 Millionen Patienten von einer chronischen Hepatitis C Infektion betroffen. Die chronische Hepatitis C kann nach vielen Jahren zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Leberzirrhose führen. Trotz der erfolgreichen Identifizierung des Virus kam es in der Entwicklung von Therapien immer wieder zu Rückschlägen. So war die Vermehrbarkeit und „Zucht“ des Virus im Labor lange Jahre nicht erfolgreich durchführbar. Bis heute gibt es anders als bei Hepatitis A und B keinen Impfstoff gegen Hepatitis C. Jedoch sind in den letzten Jahren sogenannte „direkt antivirale Agentien“ erfolgreich entwickelt worden, welche die Vermehrung des Virus an verschiedenen Punkten des Teilungszyklus bremsen. Die Heilungschancen bei Durchführung einer acht- bis zwölfwöchigen Therapie mit den neuen Medikamenten (z.B. Sofosbuvir) liegen bei über 95%. Jedoch sind die Kosten für das Gesundheitssystem aufgrund der sehr teuren Medikamente ein Problem.

Im Anschluss ging es für die Teilnehmer aus dem Hörsaal hinaus und hinüber in das Fraunhofer Institut für Maritime Biotechnologie und Zelltechnik EMB. Nach einer Begrüßung durch Direktor Prof. Dr. Charli Kruse und einer Einführung in die noch sehr junge Geschichte des Instituts, wurden die Teilnehmer in Kleingruppen aufgeteilt. Geleitet durch Institutsmitarbeiter konnten so die unterschiedlichsten Einrichtungen innerhalb des Fraunhofer-Instituts von einer autarken Demonstrationsanlage zur Lachs- und Muschelzucht über eine Biobank, welche Wildtier-Spermien in flüssigen Stickstoff lagert, bis hin zu einem Forschungs-LKW, welcher als mobiles Labor bundesweit unterwegs ist, besichtigt werden.

Foto mit dem Gastgeber Mitglied Reischuk (1. Reihe ganz rechts) vor dem Hörsaalgebäude der Universität zu Lübeck

Im Anschluss und zum Ausklang des Tages ging es für die Teilnehmer am Abend zum gemeinsamen Abendessen in die historischen Räumlichkeiten des Lübecker Ratskellers.

Das Programm am Samstagvormittag war der historischen Entwicklung der Stadt Lübeck und ihrer Geschichte gewidmet. Zu Beginn stand ein interessanter Vortrag von Prof. Dr. Cornelius Brock, der die Teilnehmer in den Räumlichkeiten des Instituts für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung empfing. In seinem Vortrag „Lübeck im Spannungsbogen von Thomas Manns Buddenbrocks bis zu den Life Sciences“ zeigte er vor allem unbekannte Facetten der Lübecker Geschichte außerhalb der Hansehistorie auf und fokussierte sich auf die historische Entwicklung von Lübeck zur heutigen Universitätsstadt.

Im Anschluss an den Vortrag ging es dann in zwei Gruppen zur Altstadtführung in die reale Welt zurück. Die Stadtführungen endeten am Europäischen Hansemuseum, welches den letzten Programmpunkt des diesjährigen Treffens bedeutete. Wenn auch leicht beengt, da witterungsbedingt viele Besucher das Hansemuseum dem Altstadtbummel vorzogen, konnten wir in der modernen Museumsinstallation viel über die Entwicklung der europäischen Hanse lernen.

 

10. JSPS Junior Forum

von Vorstandsmitglied Dr. Matthias Hofmann

Bereits zum zehnten Mal lud das Bonner JSPS-Büro JSPS-Stipendiaten, welche kürzlich aus Japan zurückgekehrt waren, zum Junior Forum ein. Im Generellen richtet sich diese Veranstaltung, die diesmal in Lübeck stattfand, insbesondere an Doktoranden und Postdoktoranden, die an JSPS-Förderprogrammen wie dem „JSPS Summer Program“ oder dem „JSPS Postdoctoral Fellowship“ teilgenommen haben. In diesem Jahr konnten acht Teilnehmer und Teilnehmerinnen des diesjährigen JSPS Summer Programs sowie drei „frisch“ nach Deutschland zurückgekehrte JSPS Postdoctoral Fellowship short term Stipendiaten in den Seminarräumen des Europäischen Hansemuseums begrüßt werden.

Ziel des Junior Forum ist es, den Absolventen des JSPS Summer Programs die Möglichkeit zu bieten, sich untereinander über Ihre Japanerfahrungen auszutauschen, sowie das gemeinsame wissenschaftliche und kulturelle Interesse an Japan zu verstetigen.

Nach einführenden Grußworten von Prof. Dr. Masahiko Hayashi, Direktor des Bonner JSPS-Büros, und Prof. Dr. Heinrich Menkhaus, Vorsitzender des JSPS-Clubs, stellten die jungen Wissenschaftler in Kurzreferaten ihre jeweiligen Forschungsthemen und Alltagserfahrungen aus dem JSPS Summer Program vor, ergänzt durch die wissenschaftlichen Präsentationen der JSPS Postdoctoral Fellowship Stipendiaten, die bereits längere Japanaufenthalte genießen konnten. Das Spektrum der interessanten Vorträge reichte von Artificial Intelligence über Sedimentationsraten an Staudämmen bis zu den philosophischen Analysen der japanischen Mythologie. Für alle Teilnehmer war der wissenschaftliche Austausch mit japanischen Kollegen in ihrem Fachgebiet bereichernd. Die Stipendiaten des JSPS Summer Programs hoben zusätzlich noch die Einblicke in das japanische Alltagsleben bei Gastfamilien und die gemeinsame Einführung in die japanische Kultur im Rahmen der ersten Stipendienwoche an der Sokendai hervor. Zwischen den Erfahrungsberichten schilderten zwei erfahrene Wissenschaftler, Prof. Dr. Katja Kölkebeck, LVR Klinikum Essen, und Prof. Dr. Rüdiger Reischuk von der Universität zu Lübeck, wie ihre persönlichen JSPS-Stipendien ihre wissenschaftlichen Karrierewege prägend mitgestaltet haben.

Abschließend stellten Frau Yukari Umi (JSPS Bonn Office) und Herr Dr. Matthias Hofmann (Vorstandsmitglied JSPS Clubs) den Stipendiaten die weiterführenden JSPS Stipendienprogramme sowie die Aktivitäten des JSPS Clubs vor.

Bei einem gemeinsamen Abendessen ließen alle Teilnehmer und Redner den Tag mit vielen neuen Eindrücken und Perspektiven ausklingen, wobei auch sechs neue JSPS Club Mitglieder begrüßt wurden.

 

Bericht über mein BRIDGE-Fellowship an der Gakushuin Universität

von Clubmitglied Prof. Dr. Stefan Wagner, ESMT Berlin

Prof. Dr. Stefan Wagner und Prof. Tetsuo Wada zusammen mit Mihoko Toyoshima und Akiko Tatsuta von JSPS Tokyo

Nach einem Forschungsaufenthalt an der Hitotsubashi Universtität in Tokyo, der im Jahre 2014 im Rahmen des JSPS Invitation Fellowship Program for Research realisiert worden ist, erhielt ich im November letzten Jahres die Möglichkeit, über das BRIDGE-Fellowship die damals entstandenen Kontakte zu vertiefen und neue aufzubauen. Der gastgebende Professor war Tetsuo Wada von der Tokyo Gakushuin Universität, Faculty of Economics.

Da bereits während des Aufenthalts im Jahre 2014 zahlreiche wissenschaftliche Kontakte und auch persönliche Freundschaften entstanden sind, gestaltete sich die Organisation des BRIDGE-Aufenthaltes im November 2019 einfach und unproblematisch. Gegenstand des Aufenthaltes war sowohl der Start eines wissenschaftlichen Kooperationsprojektes zwischen Prof. Wada und mir als auch die Teilnahme und Mitwirkung an Seminaren zum Zweck eines weitergehenden wissenschaftlichen Austausches, u.a. an der Gakushuin Universität und der Hitotsubashi Universität. Darüber hinaus habe ich gemeinsam mit meinem Gastgeber an der APIC (Asia Pacific Innovation Conference) in Beijing teilgenommen, bevor mein offizieller Aufenthalt in Japan begonnen hat.

Wissenschaftlich gesehen verfolgte ich während des Aufenthaltes mit Prof. Wada ein gemeinsames empirisches Projekt im breiten Themenfeld „Science of Science“. Der Begriff Forschung ist im Kontext dieses Projekts als „creative systematic activity undertaken in order to increase the stock of knowledge […] and the use of this knowledge to devise new applications”1 zu definieren.

Forschung ist in der Regel kostenträchtig und risikobehaftet. Man nimmt an, dass ein positiver Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Risiko und dem Neuigkeitsgrad der erzielten Resultate besteht. Bahnbrechende Ergebnisse stammen oft aus „high-risk“ Projekten, während „sicherere“ Projekte oft mit inkrementellen Ergebnissen assoziiert werden. Es wird zudem oft vermutet, dass Forschung zunehmend (und suboptimal häufig) inkrementeller Natur ist. Als mögliche Erklärung wird in diesem Zusammenhang oft angeführt, dass hoher Publikationsdruck und zunehmende Quantifizierung wissenschaftlicher Leistungsmessung, u.a. im Rahmen von Beförderungsentscheidungen oder bei der Vergabe von Drittmitteln, größere Anreize für inkrementelle Arbeiten schafft. Diese sind besser planbar und erscheinen daher oft attraktiver als unsichere und riskante Projekte. Wissenschaftsorganisationen versuchen aus diesem Grund besondere Anreize für „high-risk“ Forschung zu schaffen. Das European ERC Advanced Grant Programm betont, dass überwiegend „groundbreaking, high-risk pro-jects”2 gefördert werden sollen. Die deutsche Bundesregierung hat 2018 angekündigt, mit der Agentur für Sprunginnovationen3 ein Forschungsinstitut zur Förderung radikal neuer Forschungsansätze zu gründen.

Trotz dieser Anstrengungen, riskante Forschungsprojekte zu fördern, gibt es überraschend wenig empirische Erkenntnisse über die Determinanten wissenschaftlicher Risikoneigung bei der Projektauswahl. Im Rahmen unseres empirischen Projektes wollen wir analysieren, welche Rahmenbedingungen die Risikoneigung von Forschern bei der Auswahl von Forschungsprojekten beeinflussen. Zu diesem Zweck muss zum einen geeignete Risikomasse entwickelt werden, anhand derer Forschungsprojekte (manifestiert in Publikationen und Patenten) klassifiziert werden können. Zum anderen müssen mögliche Determinanten der Risikoneigung von individuellen Forschern (etwa Karrierestufe, Ausgestaltung des Tenure-Systems, etc.) identifiziert werden. Da dies großzahlig erfolgen soll, wurden in dieser frühen Projektphase mögliche nutzbare Datenbanken identifiziert sowie nachfolgende Projektschritte diskutiert. Der kurze Aufenthalt im Rahmen des BRIDGE-Programmes war sehr produktiv und führte dazu, dass ein Projektplan erarbeitet werden konnte.

Vor meiner Rückreise nach Deutschland wurde ich vom JSPS-Büro in Tokyo zu einem Evaluierungsinterview eingeladen, welches an der Gakushuin Universität mit Prof. Wada und mir geführt wurde. Besonderer Schwerpunkt des Interviews lag vor allem darauf, die Sichtweise eines Forschers aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu erfahren, da überwiegend Forscher aus technischen Disziplinen gefördert werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das BRIDGE-Programm eine ausgezeichnete Möglichkeit ist, bestehende Kontakte in Japan zu pflegen und gleichzeitig das eigene Netzwerk zu erweitern. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer ist keine allzu umfangreiche Antragstellung notwendig. Die Bearbeitungszeit durch JSPS ist vergleichsweise kurz und die Kommunikation unkompliziert. Gleiches gilt für die Unterstützung durch das JSPS-Büro in Bonn und den Alumni-Verein. Vielen Dank an alle Beteiligten!

1 OECD 2015
2 https://erc.europa.eu/funding/advanced-grants, letzter Aufruf am 27. August 2019
3 https://www.bmbf.de/de/bundeskabinett-beschliesst-agentur-zur-foerderung-von-sprunginnovationen-6817.html, letzter Aufruf am 27. August 2019

 

Mit BRIDGE-Fellowship in Japan

von Clubmitglied Prof. Dr. Matthias Pilz, Universität Köln

Prof. Dr. Pilz während eines Vortrags an der Nagoya University in Japan

Japan und Deutschland haben viele Aspekte gemeinsam. Beide Länder sind hoch industrialisiert und spielen auf internationalen Märkten eine große Rolle. Darüber hinaus wurden beide Länder nach dem totalen Zusammenbruch nach dem Zweiten Weltkrieg zu wichtigen Ländern in Wissenschaft und Forschung.

In den letzten 20 Jahren haben sich auch die Bildungssysteme erweitert und der akademische Bildungsweg wurde bei der jüngeren Generation immer beliebter. Außerdem nennt die OECD Japan und Deutschland oft als sehr interessante Beispiele für einen reibungslosen Übergang von der Schule zur Arbeit und eine relativ niedrige Jugendarbeitslosenquote.

Japan und Deutschland stehen aber auch vor zwei großen Problemen. Einerseits sinkt die Geburtenrate seit vielen Jahren in beiden Ländern und gleichzeitig beginnen die „Baby-Boomer“ der Nachkriegszeit in den Ruhestand zu gehen. Andererseits treten immer mehr Schulabgänger in die Hochschulbildung ein und die Berufsbildung wird für sie weniger attraktiv.

Dies impliziert die interessante Frage, wie sich die Berufsbildung entwickelt, um den Qualifikationsbedarf eines hoch entwickelten Landes wie Japan in Zeiten akademischer Ausweitung zu decken. Eine wesentliche Forschungsfrage konzentriert sich auf die Berufsschullehrkräfte. Bisher gibt es kaum Forschung zu den Wahrnehmungen und Überzeugungen von Berufsschullehrkräften in Bezug auf ihren eigenen Beruf sowie die eigene Stellung und auch keinen Vergleich zu Lehrpersonen in der Allgemeinbildung.

Das BRIDGE-Stipendium bot mir die perfekte Gelegenheit, Antworten auf diese Frage zu erhalten, indem ich viele verschiedene japanische Experten auf diesem Forschungsgebiet interviewen konnte. Die Interviews, kombiniert mit der einschlägigen Literatur, gaben mir einen aktuellen und internen Einblick in die Berufsbildungssituation in Japan. Darüber hinaus konnten mein Gastgeber und ich theoretische und strukturierte Interviews mit Berufsbildungslehrern durchführen. Insgesamt wurden über zehn Interviews mit Lehrkräften an drei verschiedenen Technical Highschools im Großraum Nagoya durchgeführt und aufgezeichnet. Das Material in englischer Sprache wird nun transkribiert und bildet die Grundlage für zukünftige Analysen.

Aufgrund der Tatsache, dass das BRIDGE-Stipendium auch Reisekosten innerhalb Japans abdeckt, war es mir zudem möglich, eine große Anzahl von Forscherinnen und Forschern in ganz Japan persönlich zu besuchen. Darüber hinaus bot mir mein Gastgeber, Prof. Dr. Etsuo Yokoyama von der Nagoya University, eine perfekte Basis für meine Forschung. Seiner Organisation und Planung hatte ich es zu verdanken, dass die Forschungsreise effizient und zugleich auch kulturell interessant war.

Im Moment ist es noch zu früh, um die endgültigen Ergebnisse der Interviews zu präsentieren. In diesem frühen Stadium der Analyse und Interpretation der Befunde können jedoch einige entscheidende Aspekte bereits erwähnt werden.

Erstens ist im japanischen Fall der akademische Weg immer noch der wichtigste, prestigeträchtigste und häufigste Einstieg in den Arbeitsmarkt. Während des letzten Jahrzehnts wuchs die Zahl der Studierenden in der akademischen Ausbildung (in Prozent einer Alterskohorte). Zudem macht die schrumpfende Gesamtzahl der Jugendlichen eine Investition in eine akademische Ausbildung sehr rentabel. Junge Absolventen haben fast keine Probleme, in den Arbeitsmarkt einzutreten und eine attraktive Beschäftigung zu finden.

Die Berufsschullehrkräfte sehen die Zukunft der technischen Ausbildung jedoch auch positiv und erkennen in der Änderung der Einstellungsstrategien in den Unternehmen ein steigendes Ansehen der Berufsbildung. Gut ausgebildete Schulabgänger werden für Unternehmen zusehends interessanter. Einige Unternehmen können aufgrund ihrer geringen Größe keine internen Schulungen für Universitätsabsolventen anbieten. Andere (größere) Unternehmen leiden unter einer schlechten Arbeitsmoral oder mangelnder praktischer Erfahrung von Studienabsolventen. Alle Lehrkräfte sind zufrieden mit ihrem Arbeitsumfeld und ihrer Arbeit in den Technical Highschools.

Es war äußerst bereichernd, die diversen Themen mit hochrangigen Forschenden an vielen verschiedenen Universitäten zu diskutieren. Mit einigen dieser Forschenden sind Kooperationen und gemeinsame Veröffentlichungen geplant.

Neben den Forschungsinterviews war es auch eine großartige Erfahrung, einen Vortrag an der Nagoya University halten zu dürfen. Das Thema lautete: „Das deutsche duale Lehrlingsausbildungssystem“. Es war erfreulich, wie hoch das Interesse des Publikums und fruchtbar die Diskussionen mit den Anwesenden war.

Darüber hinaus gab mir das Stipendium die Möglichkeit, einige sehr interessante touristische Orte in Japan zu besuchen und einen Einblick in eine japanische Familie zu erhalten. Ich konnte auch einen Länderbericht über das Berufsbildungssystem in Japan schreiben, der die neuesten Informationen meiner akademischen Partner enthielt.

Ich bin der JSPS für die Finanzierung und die wunderbare Gelegenheit dankbar, in Japan zu forschen und so viele interessante Personen kennenzulernen. Aus meiner Sicht sind die finanzielle Unterstützung und Dauer perfekt für einen kürzeren Forschungsaufenthalt. Auch die Verwaltungsverfahren usw. sind angemessen und sehr professionell in der Umsetzung. Wenn ich die Chance bekomme, möchte ich in Zukunft wieder am BRIDGE-Programm teilnehmen.

 

Geschichtspolitiken und Erinnerungskulturen im Vergleich: Bericht über zwei wissenschaftliche Tagungen und über eine Studienreise zu japanischen Gedenkstätten und historischen Museen im Oktober 2019

von Clubmitglied Prof. Dr. Lothar Wigger, TU Dortmund

Friedensdenkmal in Hiroshima (Atombombenkuppel)

Die vierzehntägige von Prof. Dr. Lothar Wigger organisierte Studienreise von Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftlern aus Dortmund, Hagen und Tübingen begann mit einem interdisziplinären und internationalen Workshop an der Sophia-Universität in Tokyo und führte dann von Tokyo über Kyoto und Osaka nach Hiroshima. In allen diesen Städten wurden Gedenkstätten und historische Museen besucht und eine Vielzahl von Diskussionen und Gesprächen mit japanischen Kolleginnen und Kollegen sowie Studierenden geführt. Die Studienreise endete mit der Teilnahme an einer internationalen erziehungswissenschaftlichen Tagung an der Hiroshima Universität.

Am 1. und 2. Oktober 2019 fand an der Sophia-Universität der Workshop mit dem Thema „Remembrance – Responsibility – Reconciliation. New Challenges for Education in Germany and Japan” statt. Organisiert und geleitet wurde der Workshop von Prof. Dr. Sven Saaler von der Sophia-Universität und Prof. Dr. Lothar Wigger von der TU Dortmund. Die Friedrich-Ebert-Stiftung Tokyo hatte den Workshop durch eine großzügige Finanzierung ermöglicht.

Die Erinnerung an Kriege, Völkermord und Gewalt auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung und die Verantwortung für Gerechtigkeit gegenüber den Opfern, für die Sicherung des Friedens und für gangbare Wege der Versöhnung zwischen den Völkern gehören zu einer demokratischen Gesellschaft und ihrer politischen Bildung. Die bis-lang praktizierte Erinnerungskultur und Gedenkstättenpädagogik steht vor vielen neuen Herausforderungen. Dies beinhaltet nicht nur die wachsende zeitliche Distanz, veränderte politische Problemstellungen und den gewandelten Medienkonsum der jüngeren Generation, sondern auch deren Infragestellung durch populistische Bewegungen und Versuche revisionistischer Umdeutungen von Geschichte. Inhalt des Workshops in Tokyo war die Auseinandersetzung mit den Varianten des Umgangs mit der Vergangenheit in Deutschland und in Japan und den gemeinsamen wissenschaftlichen, pädagogischen und politischen Herausforderungen in einer globalisierten Welt. Es wurden insgesamt zehn Referate gehalten und diskutiert.

In seinem einleitenden Vortrag „Japan’s Soft Power and the ‘History Problem‘“ gab Prof. Dr. Sven Saaler einen Überblick über die Geschichte des Umgangs Japans mit seiner Vergangenheit und mit seinen Nachbarstaaten in Hinsicht auf den pazifischen Krieg. Prof. em. Dr. Dr. h.c. Kenichi Mishima von der Osaka University analysierte in „Moral Education and Historical Revisionism” neuere Schulbücher des Moralunterrichts in Hinblick auf ihren Geschichtsrevisionismus. In den folgenden drei Vorträgen wurden weitere verschiedene Aspekte des Umgangs Japans mit der Vergangenheit von Kriegen und Gewalt thematisiert: Prof. em. Dr. Tokushi Kasahara von der Tsuru University referierte zum Thema „The Nanjing Massacre in Japanese Historiography and Education”, Ass. Prof. Justin Aukema von der Kyoto Women’s University hielt einen Vortrag über „Pedagogy, Tourism, and Nationalism at Japanese ‘War Sites’“ und Collin Rusneac von der Universität Heidelberg und der Tohoku University referierte über „Japanese War Cemeteries and what they teach us about history”. Prof. Dr. Jun Yamana von der University of Tokyo trug schließlich in seinem Vortrag „Remembering through Remediation and Education: On a Researchplan of Theaters about A-Bomb in Hiroshima” in Anschluss an die existentialistische Philosophie von Albert Camus und die kritische Theorie von Siegfried Bernfeld Überlegungen zu denkbaren Gemeinsamkeiten von Theater und Erziehung in Bezug auf die Atombombenabwürfe vor.

Der Umgang mit der Vergangenheit in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die Besonderheiten der deutschen Erinnerungskultur und die gegenwärtigen revisionistischen Herausforderungen waren dann Themen der Vorträge von Prof. Dr. Lothar Wigger: „‘The Meaning of Working Through the Past‘. Th. W. Adorno and the Dealing with the Past in the Early Years of the Federal Republic of Germany” und Prof. Dr. Markus Rieger-Ladich von der Universität Tübingen: „Contested Remembrance: The ‘Old’ Federal Republic and ‘New’ Right Politics in Germany”. Hatte Adornos Vortrag von 1959 eine entscheidende Bedeutung, das Schweigen und Verleugnen der nationalsozialistischen Vergangenheit und Verbrechen zu durchbrechen, so wird die in den letzten dreißig Jahren etablierte Erinnerungskultur in Deutschland aktuell wieder grundsätzlich in Frage gestellt. Nora Berner M.A. von der FU Hagen thematisierte die Bedeutung und Ergebnisse der Biographieforschung zur Geschichte von Tätern, Opfern und Mitläufern in „Remember, Repress, Conceal” und Dr. Barbara Platzer von der TU Dortmund erörterte in ihrem Vortrag „The Problem of Responsibility in Technological Modern Age. Reflection on Günther Anders” theoretische und praktische Konsequenzen der zeitkritischen Philosophie von Günther Anders, der einzigen Philosophie von Rang, in deren Mittelpunkt die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki stehen.

Außerdem wurde auf dem Workshop der Film „Shusenjo. The Main Battleground of the Comfort Women Issue” (USA 2018) gezeigt, der die aktuelle politische Kontroverse um die sogenannten „Trostfrauen“ dokumentiert, indem er die Unterstützer wie die Verleumder aus Japan, Korea und den Vereinigten Staaten jeweils ausführlich zu Wort kommen lässt. Der Direktor des Films, Miki Dezaki, hatte als Student im „Graduate Program in Global Studies“ der Sophia-Universität dort eine Reihe der dokumentierten Interviews geführt. Der Film hatte auf dem Workshop eine intensive gemeinsame Diskussion zur Folge.

Der Workshop war mit 33 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr gut besucht, unter anderem auch von japanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Universitäten. Es gab angeregte Diskussionen und einen intensiven wissenschaftlichen Austausch, an dem sich auch die Doktoranden und Studierenden rege beteiligten. Das Format des Workshops war so gestaltet, dass im Anschluss an die Vorträge zunächst in Kleingruppen und dann im Gesamtplenum diskutiert wurde. Dieses Format erwies sich als sehr fruchtbar, um auch Studierende und jüngere Wissenschaftler in die Diskussion einzubeziehen. Der Workshop bot einen Raum zum internationalen wissenschaftlichen und persönlichen Austausch. Die Themen wurden zwar jeweils in Bezug auf Japan bzw. Deutschland referiert, in den anschließenden Diskussionen wurde aber immer wieder deutlich, dass die angesprochenen Fragen und Probleme nicht nur auf das jeweilige Land beschränkt sind, sondern wissenschaftlich zu diskutierende allgemeine Herausforderungen sind, die letztlich die gesamte ‚Weltgemeinschaft‘ angehen. Der Workshop lässt sich in diesem Sinne auch selbst als ein Beitrag zur interkulturellen und interdisziplinären Verständigung verstehen.

Yasukuni-Schrein in Tokyo

Ergänzt wurde der Workshop durch den gemeinsamen Besuch von Gedenkstätten und politisch-historischen Museen in Tokyo. Die deutsche Besuchergruppe besichtigte zusammen mit japanischen Kollegen und Studierenden den Yasukuni-Schrein, die Gedenkstätte für die gefallenen japanischen Soldaten seit der Meiji-Zeit, deren Besuch durch ranghohe Politiker jedes Mal diplomatische Proteste provoziert, und das Militär- und Kriegsmuseum Yūshūkan. Außerdem wurde der Nationalfriedhof Chidorigafuchi für die gefallenen, unbekannten Soldaten des Pazifikkrieges sowie das Edo-Tokyo-Museum zur Geschichte der Stadt Tokyo besucht. Dieses anspruchsvolle Besichtigungsprogramm regte zu weiteren gemeinsamen Gesprächen und Diskussionen sowohl über die unterschiedlichen Darstellungen der Ereignisse in den Erinnerungsorten als auch über die unterschiedlichen geschichtspolitischen Eingriffe und nationalen Erinnerungskulturen an.

Die Studienreise umfasste weiterhin den Besuch des Museum for World Peace der privaten Ritsumeikan University in Kyoto, einschließlich eines aufschlussreichen Gespräches mit der Museumsleitung, und des International Peace Center in Osaka. Während das Kyoto Museum for World Peace in seiner Verpflichtung für den Weltfrieden das durch Kriege und Wettrüsten verursachte Leiden auf allen Seiten der Konfliktparteien zu verdeutlichen sucht und dabei auch selbstkritisch die japanische Rolle in den Kriegen in Asien seit Beginn des 20. Jahrhunderts thematisiert, konzentriert sich das International Peace Center in scharfem Kontrast dazu seit seiner Umgestaltung im Jahr 2015 auf die Zerstörung von Osaka durch die US-amerikanische Bombardierung und stellt die japanischen Opfer heraus.

Kenotaph für die Opfer der Atombombe, Flamme für den Frieden und der Atombombendom im Friedenspark von Hiroshima

Höhepunkte der Studienreise waren gewiss der Gang durch den Friedenspark in Hiroshima mit seinen über 70 Monumenten zum Gedenken an die Opfer des Atombombenabwurfs am 06. August 1945 und zur Mahnung an die Abschaffung von Atomwaffen und die Erhaltung des Friedens sowie die Besichtigung des 2019 neu gestalteten Friedensmuseums, das den Atombombenabwurf und seine Vorgeschichte sowie die Verbreitung von Atomwaffen dokumentiert und Erinnerungsstücke und Erfahrungsberichte von Überlebenden sammelt. In einem Gespräch erläuterte der Museumsdirektor näher die Intentionen und Konzeption des Museums. Tief beeindruckend war das ausführliche Gespräch mit einer Zeitzeugin sowie die Präsentationen von Schülerinnen und Fachlehrern der Hiroshima Motomachi High School, die im Rahmen eines von Prof. Dr. Jun Yamana von der University of Tokyo wissenschaftlich begleiteten, pädagogischen Projekts Erzählungen von hibakusha (Opfer von den Atombombenabwürfen) in Gemälden bildlich umsetzen und so die Erinnerung an die Ereignisse über die Generationenfolge hinweg lebendig zu halten versuchen. Die Studiengruppe aus Deutschland wurde bei allen Veranstaltungen von japanischen Kolleginnen und Kollegen begleitet, so dass der Austausch von Erlebnissen und Erfahrungen ein Gewinn für alle war.

Der Abschluss der Studienreise war die Teilnahme an dem Internationalen Symposium „Inheritance of Hiroshima Memory and Emerging Reconciliation“ im Rahmen des 62. jährlichen Treffens der Philosophy of Education Society of Japan an der Hiroshima University, welches von Prof. Dr. Yasushi Maruyama von der Hiroshima University und Prof. Dr. Jun Yamana von der University of Tokyo organisiert und geleitet wurde. Prof. Dr. Lothar Wigger stellte vor weit über 100 Zuhörerinnen und Zuhörern in seinem Vortrag „The Legacy of 'Hiroshima' in Germany. History and current Problems" dar, welche (wandelnde) Bedeutung der Atombombenabwurf auf Hiroshima in der Geschichte Deutschlands gehabt hat und wie (verkürzt) das Thema in aktuellen Schulbüchern zum Geschichtsunterricht behandelt wird. Ass. Prof. Dr. Jongsung Kim von der Hiroshima University berichtete in seinem Vortrag „Educating Citizens who are Open to Others’ Discourses” vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler Narrative über Hiroshima von seinem Projekt der Entwicklung eines gemeinsamen Geschichtsbuches durch koreanische und japanische Studierende. Auch nach dem Symposium wurden die Gespräche über die vielen angesprochenen Probleme und offenen Fragen fortgesetzt.

Der Workshop und das Symposium wie auch die Besichtigungsprogramme fanden bei den jeweiligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine durchweg positive Resonanz, sie werden von den Veranstaltern als sehr erfolgreich bewertet. Eine vergleichbare Veranstaltung in Deutschland, die eine wissenschaftliche Tagung mit dem Besuch von Gedenkstätten und Erinnerungsorten verbindet, ist für das nächste Jahr in Weimar und Buchenwald vorgesehen. Publikationen der Beiträge des Workshops wie des Symposiums sind in Vorbereitung.

 

PUBLIKATIONEN VON CLUB-MITGLIEDERN

Carmen Schmidt und Ralf Kleinfeld (Hrsg.)
The Crisis of Democracy? Chances, Risks and Challenges in Japan (Asia) and Germany (Europe)
2019, 499 Seiten, ISBN 9781527542419

“Is democracy in crisis?” Against the background of a visible loss of trust in political, economic, religious and other institutions in Japan and Germany, this question is being posed with increasing urgency. This volume brings together contributions from political sciences, sociology, economics, psychology, history, law, and educational science to shed light on the future of our democracies, economies, educational systems, party politics, national policies, and social-structural changes, as well as socialization in the family and school, and related value changes. By focusing on Japan and Germany, and including examples from Western Europe and East Asia, this publication will determine transnational tendencies and provide an understanding of the different consequences of development from country to country against the background of different historical-cultural traditions and institutional realities.

 

 

Repräsentation des Clubs auf externen Veranstaltungen

  • 20.09.2019: Empfang der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 07.10.2019: Club-Treffen in Japan (Zeiss Japan) | Heinrich Menkhaus, Wolfgang Staguhn und Sabine Ganter-Richter
     
  • 07.10.2019: European Research Night | Heinrich Menkhaus, Wolfgang Staguhn und Sabine Ganter-Richter
     
  • 10.10.2019: Journée francophone de la recherche (Veranstalter Science Scope) in Tokyo | Wolfgang Staguhn
     
  • 30.10. – 3.11.2019: Mitglieder laden Mitglieder ein in Lübeck | Heinrich Menkhaus, Wolfgang Staguhn, Anton Kraus, Matthias Hofmann
     
  • 03.–06.11.2019: JANET-Treffen London | Heinrich Menkhaus
     
  • 14.11.2019: Feier anlässlich des Japanbesuches der Gewinnerin des Japanischen Sprach-Wettbewerbs in Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 28.11.2019: Verleihung des Bälz-Preises durch Boehringer Ingelheim, Deutsche Botschaft, Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 06.12.2019: Weihnachtsfeier der JDG Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 16.01.2020: Vortrag im Rahmen des Projektes „Japan im Klassenzimmer“ des Japanischen Generalkonsulates Frankfurt am Internat Schloss Hansenberg | Matthias Hofmann
     
  • 27.01.2020: Shinnenkai des Hojinkai Frankfurt und der DJG Frankfurt in Frankfurt | Matthias Hofmann
     
  • 29.01.2020: Jahresempfang für die Wissenschaftsförderer, Ständige Vertretung der EU, Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 29.01.2020: Koordinierungskreis Forschung, Deutsche Botschaft, Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 29.01.2020: Wirtschaftsmittlertreffen, Deutsche Botschaft, Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 08.02.2020: Zukunftswerkstatt unseres institutionellen Mitglieds OAG Tokyo | Heinrich Menkhaus
     
  • 10.02.2020: Empfang des Verbandes der Japanisch-Deutschen Gesellschaften für die neue Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Japan Frau Ina Lepel | Heinrich Menkhaus
     
  • 14.02.2020: Empfang aus Anlass des Geburtstages seiner Majestät des Tenno durch die japanischen Generalkonsulin Frau Kawahara in Frankfurt | Matthias Hofmann
     
  • 15.02.2020: JaDe-Preis Verleihung an Nippon Connection in Köln | Matthias Hofmann
     
  • 22.02.2020: Grußwort als Vorsitzender der Clubs für die vom Club finanziell geförderte Veranstaltung von Clubmitglied Eckhard Hitzer an der ICU: Sustainable University Development Workshop | Heinrich Menkhaus
     
  • 22.02.2020: #Seitenwechsler-Japan Messe der DJJG in Leipzig, Vorstellung der JSPS Programme und des JSPS-Clubs | Matthias Hofmann
     

 

Neue Clubmitglieder

  • Dr. Beate Heissig
    Juntendo University
    Juntendo University 2003*

  • Maximilian Hamm
    Universität Potsdam
    Chiba Institute of Technology 2017*

  • Jan Hagenlocher
    Universität Tübingen
    Institute for Molecular Science 2019*

  • Dr. Kateryna Loza
    Universität Duisburg-Essen
    Kyushu University 2018*

  • Tom Görtzen
    RWTH Aachen
    University of Tsukuba 2019*

  • Eva-Maria Minarsch
    Universität Gießen
    Hokkaido University 2019*

  • Andreas Ringleb
    Universität Gießen
    Yamagata University 2019*

  • Dr. Andreas Braun
    Durham University
    University of Tokyo 2012*

  • Prof. Dr. Steffi Richter
    Universität Leipzig
    University of Tokyo 2009*

  • Dr. Christoph Schmal
    Humboldt Universität zu Berlin
    Ritsumeikan University 2018*

  • Dr. Darren Peets
    Technische Universität Dresden
    Kyoto University 2008–2010*

  • Maike Klein
    Universität Stuttgart
    Tokyo University of Agriculture and Technology 2018*

  • Philipp Flotho
    Hochschule für Technik und Wirtschaft Saar
    Okinawa Institute of Science and Technology 2019*

  • Prof. Dr. Peter Hennicke
    Wuppertal Institut

  • Dr. Ines Gillich
    Universität Mainz
    Nihon University 2020*

  • Dr. Christoph Helbig
    Universität Augsburg
    Waseda University 2019*

  • Dr. Jörg Wennmann
    Julius Kühn-Institut
    Tokyo University of Agriculture and Technology 2015*

* von JSPS/STA geförderter Forschungsaufenthalt in Japan

 

Termine

  • 15./16.05.2020: JSPS-Symposium „Bioeconomics“ in Berlin

  • 20.11.2020: 25-jähriges Jubiläumssymposium „German-Japanese Science Relations“ in Tokyo

Wenn Sie Beiträge zu Veranstaltungen, Publikationen etc. im Newsletter veröffentlichen möchten, wenden Sie sich bitte an Prof. Dr. Anke Scherer. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!

 

Impressum

Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V.
Redaktion: Dr. Anke Scherer, Caroline Hoffmann
Verantwortlich:
Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V.
c/o JSPS Bonn Office, Ahrstr. 58, 53175 Bonn
Tel.: 0228/375050, Fax: 0228/957777
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unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.

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