Wie die Erdbebenspenden des JSPS-Clubs verwendet wurden: Ein Rechenschaftsbericht vom Club-Vorsitzenden

Prof. Dr. Heinrich Menkhaus, Tokyo

Einführung

Am 11. März 2011 ereignete sich das große Tōhoku-Beben, das zwei weitere Katastrophen nach sich zog, den Tsunami und die Havarie des Kernkraftwerks Fukushima. Wie andere im deutsch-japanischen Austausch aktive deutsche Organisationen rief auch der JSPS-Club seine Mitglieder sofort nach Bekanntwerden der Schäden zu einer Spendenaktion für die von der Dreifachkatastrophe Betroffenen auf. Wegen des Vereinszwecks konnte der Club selbst nur Mittel für wissenschaftliche Einrichtungen in Japan einwerben, gab aber auch eine Spendenadresse für humanitäre Zwecke an seine Mitglieder weiter. Die daraufhin eingehenden Spenden für wissenschaftliche Einrichtungen beliefen sich auf über 7.000 Euro, die der Club aus Eigenmitteln aufrundete.

Aus der Mitte der Mitglieder kamen zwei Vorschläge für die Mittelverwendung. Prof. Dr. Matthias Rögner von der Ruhr-Universität Bochum schlug die Vergabe an einen Forscher von der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tōhoku in Sendai (Präf. Miyagi) vor. Das Labor von Prof. Uozumi Nobuyuki, der im Bereich der Energiegewinnung aus Bakterien arbeitet, hatte durch das Erdbeben Schaden genommen. Prof. Dr. Annette Leonhardt von der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München schlug die Vergabe an Gehörlosenschulen vor, in denen auch im Bereich der Gehörlosenpädagogik geforscht wird. Die Schulen wurden von Frau Prof. Matsufuji Midori von der Universität Tsukuba vermittelt. Bei der einen handelt es sich um die Gehörlosenschule der Präfektur Miyagi in Sendai, die über eine Reihe von Zweigeinrichtungen in der selben Präfektur verfügt, bei der anderen um die Gehörlosenschule der Präfektur Fukushima in Kōriyama, die eine weitere Zweigschule hat. Der Vorstand des Clubs entschied sich dann dazu, den genannten Spendengesamtbetrag aufzuteilen und zum einen 450.000 Yen an die Universität Tōhoku und zum anderen jeweils 230.000 Yen an die beiden Gehörlosenschulen zu überweisen.

Im September 2012 hatte der Verfasser Gelegenheit, die genannten Einrichtungen zu besichtigen und sich nach der Verwendung der Spendengelder zu erkundigen. Er nutzte die Zeit auch, um eine humanitäre Einrichtung aufzusuchen, für die der Club nicht direkt Spendengelder der Mitglieder einwerben konnte, nämlich das Kinderheim Fujinosono in Ichinoseki (Präf. Iwate), dessen Gebäude zum Teil erheblich durch das Erdbeben beschädigt worden waren und durch Neubauten ersetzt werden müssen.

Im Labor von Prof. Uozumi an der Universität Tōhoku

Prof. Uozumi (links) und Heinrich Menkhaus vor einem Glasschrank mit Pflanzenkulturen, die nach dem Beben neu gezogen wurden. Die alten waren wegen des anhaltenden Stromausfalls eingegangen.

Die bedeutende staatliche Universität Tōhoku ist auf mehrere Standorte in der Stadt Sendai verteilt. Der Campus, auf dem sich die ingenieurwissenschaftliche Fakultät befindet, liegt auf dem Berg hinter der ehemaligen Burg der daimyō-Familie Date, die vom frühen 17. Jahrhundert an das Lehnstum Sendai verwaltete. Der gesamte Campus wurde von dem Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen. Neben dem Gebäude der Fakultät, in dem sich die Laborräume von Prof. Uozumi befinden, stand das Gebäude der architekturwissenschaftichen Fakultät, das komplett abgerissen werden musste und mit dessen Wiederaufbau schon begonnen wurde. Das Gebäude, in dem Prof. Uozumi seine Labors unterhält, hat indes dem Erdbeben getrotzt, musste aber an verschiedenen Stellen repariert werden. Diese Arbeiten sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Im Labor selbst waren erhebliche Schäden an der Einrichtung entstanden, insbesondere an den Glasvitrinen, Kühl- und Gefrierschränken, Mikroskopen und PCs. Das vom Club gespendete Geld wurde für die Neubeschaffung dieser Geräte eingesetzt, allerdings ist es noch nicht gänzlich verauslagt.


In den Gehörlosenschulen in Sendai und Kōriyama

Schulleiter Katsukura (links), Heinrich Menkhaus und Lehrer Nemoto (rechts)

Das Einzugsgebiet der Gehörlosenschule Miyagi in Sendai ist erheblich. Da nicht alle 96 Schüler die Schule auf Tagesbasis besuchen können, befindet sich zusätzlich ein Wohnheim auf dem Gelände. Die Schüler aller Jahrgangsstufen werden in ganz kleinen Klassen von höchstens fünf Schülern vom Kindergartenalter bis zum 12. Schuljahr mitunter von mehreren Lehrern gleichzeitig unterrichtet. Nicht alle Lehrer verfügen über eine Spezialausbildung in der Unterrichtung Gehörloser, sondern müssen sich die dabei erforderlichen Fertigkeiten, wie etwa die Zeichensprache, zunächst selbst aneignen. Eine besondere Rolle spielt die technische Qualität von Hörgeräten, die z.T. von dänischen und deutschen Herstellern stammen. Außerdem gibt es eine Ausstattung, die die Schüler die Vibrationen der menschlichen Stimme erfahren lässt und Nebengeräusche fast vollständig ausblenden kann. Auffällig sind die Einrichtungen der Schule für die Berufsausbildung der Schüler. Es gibt dort jeweils Gebäude für das Friseurhandwerk und für die Metall- und Holzverarbeitung.

Das Erdbeben hat Gebäudeschäden hinterlassen, deren Ausbesserung noch im Gange ist. Die Gelder des Clubs sind in die insgesamt 4 Mio. Yen Spendengelder eingegangen, die die Schule insgesamt einwerben konnte. Dieser Betrag ist im Wesentlichen für drei Zwecke verwendet worden. Zum einen wurden Sachmittelgutscheine an die Schüler verteilt, zum anderen gingen direkte Zahlungen an die Familien von Schülern, die durch das Beben oder den Tsunami ihr Haus verloren haben. Schließlich hat man ein Notstromaggregat erworben.

Der Geigerzähler

Die Gehörlosenschule in Kōriyama in der Präfektur Fukushima gleicht in ihrem äußeren Erscheinungsbild der Schule in Sendai. Verschiedene Gebäude stehen auf dem Campus. In ihnen werden ebenfalls gehörlose Kinder vom Kindergartenalter bis zum 12. Schuljahr wiederum in sehr kleinen Klassen betreut. Auch hier gibt es Einrichtungen zur Berufsvorbereitung, allerdings beschränkt auf Metall- und Holzverarbeitung. Daneben existiert eine Einrichtung für Hauswirtschaftslehre mit Nähmaschinen, Bügeleisen und Webstühlen. Der Verfasser hatte Gelegenheit, dem Englischunterricht der 12. Klasse beizuwohnen. Er wurde in gut verständlichem Englisch nach vielen Einzelheiten zu seinem Japanaufenthalt befragt. Die Schule veranstaltet auch regelmäßig Vorträge von englischsprachigen Teilnehmern des sog. JET-Programms.

Die Gehörlosenschule in Kōriyama war nicht nur durch das Beben, sondern vor allem durch die vom havarierten Kernkraftwerk Fukushima ausgehende Radioaktivität betroffen. Alle Gebäude mussten gesäubert und der Sportplatz komplett bis zu einer Tiefe von 10 cm abgetragen werden. Leider konnte der radioaktive Sand nicht abtransportiert werden, sondern ist in vier Metern Tiefe unter dem Sportplatz einfach vergraben worden. Am Rand des Sportplatzes befindet sich ein Geigerzähler, der eine Belastung von 0,1 Siewert zum Zeitpunkt des Besuches anzeigte. Die Reparatur der Gebäudeschäden war auch hier noch nicht abgeschlossen. Die Club-Gelder wurden insbesondere für Ventilatoren ausgegeben, da man wegen der Radioaktivitätsbelastung insbesondere im letzten Sommer die Fenster nicht öffnen durfte, sowie für eine große Anzahl von Sandsäcken, um auf dem leicht abschüssigen Gelände das Eindringen von radioaktiv verseuchtem Oberflächenwasser zu verhindern.

Das Kinderheim Fujinosono

Die Behelfsunterkunft

Schwester Christa Mauer mit einem Plakat des Konsortiums, das für den Besuch des Bundespräsidenten am Stand des Projekts auf der Schlussveranstaltung zum 150. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland im Oktober 2011 im Garten der Deutschen Botschaft in Tokyo gefertigt wurde.

Das Kinderheim Fujinosono ist eine Einrichtung der Franziskanerordens der Thuiner Schwestern in Thuine im Emsland. Sie betreuen weit über 10 Einrichtungen in verschiedenen Gegenden Japans. Die Einrichtungen selbst werden jeweils von einem japanischen Rechtsträger getragen, den man als Wohlfahrtspflegeeinrichtung bezeichnen kann. Sie sind begleitet von einem Konvent, in dem die Nonnen leben. Die Einrichtung in Ichinoseki wird von der deutschen Nonne Christa Mauer geleitet. In ihr werden Kinder vom Säuglingsalter bis zum 12. Schuljahr betreut, die zum Teil die umliegenden Kindergärten und Schulen besuchen. Für junge Heranwachsende, die schon einer Arbeit nachgehen, gibt es ein Gebäude, in dem betreutes Wohnen möglich ist. Alle Kinder werden der Einrichtung von den Jugendämtern der Präfektur Iwate zugewiesen. Der Staat trägt die Kosten pro Kind, die aber eng bemessen sind und einen Neubau und eine Unterhaltung der Gebäude nicht zulassen. Die deutschsprachige katholische Kirchengemeinde St. Michael in Tokyo, die in diesem Jahr ihr 50. Kirchweihfest begeht, unterstützt Fujinosono deshalb schon seit vielen Jahren finanziell.

Die Kirchengemeinde ist deshalb auch Teil eines Konsortiums, das vor allem aus großen deutschen Unternehmen mit Japangeschäft besteht, die das durch das Beben zerstörte Haupthaus wieder aufbauen. Es ist mittlerweile abgerissen und am 25. August dieses Jahres hat der erste Spatenstich für den Neubau stattgefunden. Seit dem Beben wohnen die Betroffenen in einem Behelfsheim. Die noch stehende Turnhalle auf dem Gelände beherbergt zurzeit die Inneneinrichtung der alten Unterkunft. Ob sie stehen bleiben kann, ist noch ungewiss, weil sie sich in Folge des Bebens geneigt hat. Auch ist der Einrichtung die Psychotherapeutin abhanden gekommen, weil die ohnehin wenigen Angehörigen dieses Berufes in den vom Tsunami betroffenen Küstenregionen stärker benötigt zu werden scheinen.

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