Projekt 2002: Elektropolieren von NiTi-Formgedächtnislegierungen

Abb. 1: Konzentrationsverhältnisse, (Ni/Ti) und (O/Ti) im äußersten Bereich der Deckschicht als Funktion des Schichtbildungspotentials

Formgedächtnislegierungen wie die äquiatomare Legierung Nickel-Titan werden auch als intelligente Materialien bezeichnet. Sie weisen ganz ungewöhnliche mechanische Eigenschaften auf und können damit Anwendungsgebiete erweitern oder sogar neue Einsatzgebiete erschließen. Das Material kann in zwei unterschiedlichen kristallographischen Strukturen vorliegen, die man als Martensit oder Austenit bezeichnet. Die reversible Umwandlung kann durch Änderung der Temperatur oder durch mechanische Belastung erfolgen. Zusätzlich kann unter mechanischem Einfluss eine ebenfalls reversible Umstrukturierung stattfinden, die man als Pseudoelastizität bezeichnet. Dieses Material findet zur Konstruktion von hochflexiblen Brillengestellen (Titanflex®) Anwendung. Auch in der Medizin hat dieses Material viele Einsatzgebiete: im kieferorthopädischen Bereich als orthodontischer Draht zur Korrektur von Zahnfehlstellungen, als koronarer Stent, um Arterien durchgängig zu halten oder als hochflexible orthopädische Klammer bei Knochenfrakturen. Auch wenn das Gefahrenpotenzial durch Freisetzung von Nickelionen aus dem Material in der Literatur unterschiedlich bewertet wird, sollte dieses vorsorglich minimiert werden. Eine Voraussetzung ist die Verwendung möglichst glatter Proben. Durch die besonderen mechanischen Eigenschaften des Materials ist eine mechanische Glättung nur sehr eingeschränkt möglich. Man sollte sich vorstellen, dass man versucht, einen Radiergummi mit Sandpapier zu glätten. Stattdessen erfolgt dieser Schritt chemisch oder elektrochemisch. Der Einsatz des NiTi ist überhaupt nur deshalb möglich, weil es an der Oberfläche mit Luft oder Wasser reagiert und eine wenige Nanometer dicke Oxidschicht bildet, die das Material vor weiterem Angriff schützt. Mit dieser Fragestellung und der Herstellung maßgeschneiderter, Nickel sperrender Deckschichten beschäftige ich mich in meiner Arbeitsgruppe seit einigen Jahren.

Von April 2002 bis Juli 2003 war Herr Dr. Koji Fushimi von der Universität Hokkaido, Sapporo, gefördert durch ein Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft am Max-Planck Institut für Eisenforschung in Düsseldorf tätig.

Er hat sich in dieser Zeit gleich mit einem ganzen Komplex von Fragestellungen beschäftigt und ist deren Lösung durch gezielte Bearbeitung der zugrunde liegenden Kernfrage erheblich näher gekommen. Diese besteht darin, die für gewöhnlich erwünschte Ausbildung einer reaktionshemmenden Deckschicht vorübergehend so weit zurückzudrängen, dass die gewollten Arbeitsschritte durchgeführt werden können. Die impedanzspektroskopische Verfolgung der Experimente ließ uns den Mechanismus so weit verstehen, dass letztlich eine alkoholische, also wasserarme Schwefelsäure unterhalb von 0°C das gewünschte Ergebnis lieferte.

In dieser Lösung gelang es auch, in einem kontaktlosen elektrochemischen Verfahren mit wiederholten Spannungspulsen von 100 Nanosekunden Dauer ein nur 25 µm großes Loch zu bohren – ohne das Material thermisch oder mechanisch zu belasten. Mit Hilfe der am MPI in Düsseldorf vorhandenen Großgeräte gelang es schließlich, den Nachweis zu führen, dass die nachfolgend gebildeten Deckschichten einen gleitenden Übergang in der Zusammensetzung haben (Abb. 1).

Abb. 2: K. Fushimi und A. W. Hassel, 56th Annual Meeting of the International Society of Electrochemistry, Busan, Südkorea, Sept. 2005

Die Konzentration an Nickel beträgt im Metall noch 50 at.%, nimmt nach außen hin jedoch deutlich ab. Gleichzeit steigt der Anteil des biokompatiblen Titans an. Zudem wird ein gleitender Übergang der Oxidationsstufe beobachtet, der im Falle des Titan alle Oxidationsstufen vom metallischen nullwertigen Zustand bis hin zum volloxidierten vierwertigen Zustand umfasst.

Vom ersten Tag meiner Zeit als JSPS Stipendiat in Sapporo an, hat Herr Fushimi sich um alle Belange meiner Frau, unserer damals 3 Monate alten Tochter und um meine eigenen gekümmert. Daher war es mir nun eine besondere Freude, dass er sich seinerseits nach der Promotion entschloss, seine Erfahrungen als Postdoktorand in Deutschland zu sammeln. Den Wenigsten dürfte die Chance vergönnt sein, die Mühen der Wohnungssuche, der Einweisung in das fremde Land und der Suche nach geeigneter schulischer und medizinischer Versorgung der Kinder, die man in Japan entgegengenommen hat, an den Richtigen zurückzugeben.

Gemeinsam (Abb. 2) möchten wir uns beim Club für die Bewilligung einer FWADJ-Förderung zur Deckung seiner Anreisekosten bedanken, welche geholfen hat, den für gewöhnlich etwas klammen Übergang vom Doktoranden zum Postdoktoranden zu erleichtern. Herr Dr. Fushimi setzt seine Karriere in meinem ehemaligen Gastinstitut an der Universität von Hokkaido als Research Associate fort.

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